Das Rätsel deiner Leidenschaft
steckte er seine Füße in die Hosenbeine. Er hätte sich den Henker um ihr verdammtes Geheimnis scheren sollen! Sie war ein Zeitvertreib, mehr nicht. Er würde nicht noch einmal den Fehler machen, das zu vergessen.
Er wollte nicht, dass ihr etwas zustieß, Gott bewahre, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er seine eigenen Ambitionen nur wegen eines Geheimnisses, das sie bewahren wollte, aufgeben würde.
»Sag mir einfach die Wahrheit, Sabine. Ich kenne sie schon, aber ich will sie von dir hören«, versuchte er es noch einmal. Seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren müde. Vorhin war er drauf und dran gewesen, sie erneut zu nehmen, weil ihre Nähe ihn erregte, aber jetzt floss Eis durch seine Adern, das sein Verlangen schnell vergehen ließ.
Warum war es ihm so wichtig, ob sie ehrlich zu ihm war?
Weil er Unaufrichtigkeit nicht ausstehen konnte. Das war alles. Er brauchte alle Fakten, wenn er sich mitten in einer heiklen Situation befand.
»Nein!«, sagte sie heftig. »Ich bin nicht die Wächterin. Bist du jetzt zufrieden?«
»Es ist Agnes, habe ich recht?«
Sabine tat einen unsicheren Atemzug und nickte dann.
»Aber du bist doch die Erbin deiner Mutter? Müsstest du dann nicht als Nächste an der Reihe sein?«, fragte er.
»Ja, aber bei der Zeremonie wurde Agnes zur Wächterin ernannt.«
»Weil du damals noch ein Kind warst?«
»Das würde keine Rolle spielen. Manche sind in viel jüngerem Alter zu Wächtern ernannt worden. Es geht darum, dass ich nicht auserwählt wurde. Ob das wegen des Scheiterns meiner Mutter war oder irgendwelcher Unzulänglichkeiten in mir selbst, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich den Verantwortungen eines Wächters nicht würdig war.«
Max war anderer Meinung, verstand aber, warum sie das tatsächlich glaubte. Er hatte einen Titel geerbt, auf den er kein Anrecht gehabt hatte. Sein Bruder Phillip war der Erbe gewesen. Aber er war gestorben, sie alle waren gestorben, und jetzt war Max der Marquess, während Sabine die rechtmäßige Erbin gewesen war, sie dieser Ehre aber beraubt worden war.
»Warum trägst du denn dann diese Phiole mit dem Elixier?«, fragte er.
»Agnes hat sie mir vor einigen Monaten gegeben. Ich glaube, sie versuchen mich auszubilden, mich vorzubereiten, damit ich, wenn die Zeit für den nächsten Wächter kommt, vielleicht doch noch erwählt werde. Sie machen sich nur etwas vor, aber ich hasse es, sie zu enttäuschen«, sagte sie leise. »Deshalb trage ich die Kette mit der Phiole.«
In Max' Brust zog sich etwas zusammen, aber er schüttelte es ab. Er hatte keine zärtlichen Gefühle. Schon lange nicht mehr. Dennoch konnte er nicht umhin, eine gewisse Erleichterung darüber zu verspüren, dass der Auserwählte nicht hinter Sabine her sein würde.
Trotzdem war es wichtig für ihn, die Wahrheit zu erfahren, und deshalb setzte er sich wieder auf die Bettkante. »Ich muss die Wahrheit wissen, wenn ich dich und deine Tanten beschützen soll«, sagte er.
»Du kannst wütend auf mich sein, weil ich sie dir vorenthalten habe, aber es ist ja auch nicht so, als würdest du mir vertrauen, Max.« Sie rutschte von ihm weg, bis sie fast am Bettrand lag. »Du warst auch nicht gerade sehr mitteilsam, was deine Motive angeht. Du kannst mir unmöglich nur aus reiner Herzensgüte helfen oder weil du ein Patriot bist. Du bist ein Experte für Atlantis, und allein durch dein Angebot, uns zu helfen, hast du momentan vier Atlantiden unter deinem Dach. Das ist doch ziemlich praktisch für dich, nicht?«
Sie hatte recht. Es gab etwas, was er wollte, und das befand sich augenblicklich unter seinem Dach. Sie hatte genau das, was er brauchte. Das Einzige, das die Existenz von Atlantis beweisen würde. Das Elixier. Er wusste, dass er Agnes das ihre nicht wegnehmen konnte, weil sie dann sterben würde. Aber er konnte sich Sabines Kette nehmen.
Sie stieg aus dem Bett und bückte sich, um ihre Kleider aufzuheben. Schnell zog sie ihr langes Hemd über und drehte sich, die Schuhe unter ihren Armen, zu ihm um. »Ist das der einzige Grund, warum du die Wahrheit wissen wolltest?«, flüsterte sie. »Der Prophezeiung wegen?«
Er betrachtete sie einen Moment, suchte ihr Gesicht nach etwas ab, das sie nicht aussprach. Nach irgendeinem Hinweis, was sie von ihm wollte. Was erwartete sie? »Was für einen anderen Grund könnte ich denn haben?«
Er hielt fast den Atem an, als er auf ihre Antwort wartete.
Sie schien sein Gesicht fast ebenso gründlich zu studieren wie er
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