Das Rätsel deiner Leidenschaft
das ihre. Was immer sie auch darin sah, schien ihr kein Trost zu sein.
»Du hast recht«, sagte sie scharf. »Da ist nichts anderes.« Sie wandte sich zum Gehen.
»Sabine?«
Sie sah ihn an.
»Morgen werden wir diese verdammte Suche beenden und die Taube finden.«
Sie nickte, sagte aber nichts, als sie aus seinem Zimmer schlüpfte.
Das Einzige, was zwischen ihm und dem Beweis für Atlantis' Existenz stand, war Sabine. Aber um den Beweis erbringen zu können, würde er sie hintergehen müssen. Das wusste er. Und das war es, was ihn hatte zögern lassen. Normalerweise hatte sie die Kette immer getragen, doch seit einigen Tagen bewahrte sie sie in ihrer Tasche auf.
Jetzt würde sie ihm vertrauen. Ihr blieb gar nichts anders übrig, nachdem er ihre Geheimnisse erfahren hatte. Er hatte sie bedrängt und bedrängt, bis sie keine andere Wahl gehabt hatte, als ihm alles zu erzählen. Und irgendwann würde er dieses Vertrauen missbrauchen müssen.
Er war ein Schuft.
Sabine und ihre Tanten nahmen am nächsten Morgen zusammen das Frühstück ein, und ihnen gegenüber saß schweigend Max und las die Zeitung, während er seinen Tee trank. Bis auf den »Guten Morgen«, den er allen wünschte, hatte er bisher kein Wort gesagt.
Es gab ja auch nichts mehr zu besprechen, sagte sich Sabine. Ihr Streit von gestern Nacht hing noch in der Luft wie schal gewordenes Parfüm. Mehr als an den Streit jedoch dachte sie daran, wie er sie berührt hatte, sanft und dennoch voller Leidenschaft. Wie er im Dunkeln ihren Namen geflüstert hatte. An das Gefühl, so intim mit ihm vereint zu sein, an seine nackte Haut an ihrer.
Er hob den Kopf, und seine eisblauen Augen suchten ihren Blick. Er hatte gemerkt, dass sie ihn beobachtete. Der intensive Blick dieser blauen Augen schien bis in ihr Innerstes zu dringen.
Sie biss in ihren Toast, ohne die geschmolzene Butter auch nur zu schmecken, aber sie wollte etwas anderes tun, als Max anzustarren.
»Was hast du gestern Abend gemacht, Sabine?«, wollte Lydia wissen.
Sabine erstickte fast an ihrem Brot. Sie hustete und trank rasch einen Schluck Tee.
Max legte seine Zeitung auf den Tisch. »Wir waren in der Königlichen Bibliothek, wo wir ein weiteres Rätsel fanden, das gelöst werden muss«, sagte er.
»So, so«, sagte Agnes. »Und habt ihr es gelöst?«
»Fast«, sagte Max.
Sabine, die inzwischen wieder sprechen konnte, sagte: »Das Rätsel besagt, wir müssten uns ansehen, was wir direkt vor uns haben. Oder so ähnlich.« Sie warf Max einen Blick zu. »Vielleicht müssen wir noch einmal in die Bibliothek und uns die Tafel ansehen. Vielleicht finden wir dann heraus, was es bedeuten könnte.«
»Euch ansehen, was ihr direkt vor euch habt?«, fragte Agnes.
»Irgend so etwas in der Art«, sagte Max. »Aber in der Bibliothek?«, fragte er stirnrunzelnd. »Das wird nichts bringen.«
»Vermutlich nicht«, sagte Sabine, die inzwischen zur gleichen Einsicht gekommen war. »Die Tafel wurde schließlich ganz woanders gefunden. Wie dumm von mir.« Sie schüttelte den Kopf über sich selbst.
»Dieses Rätselraten ist nicht einfach«, sagte Calliope tröstend. »Das ist eher eine Aufgabe für den Seher«, erklärte sie und riss dann erschrocken die Augen auf, weil sie sich an Max' Präsenz erinnerte.
Sabine schüttelte den Kopf. »Das macht nichts, Calliope. Er weiß sowieso schon alles«, beruhigte sie ihre Tante.
Lydias Lippen wurden schmal. Sabine wusste, dass ihre älteste Tante verärgert war, aber das ließ sich nicht ändern. Tatsache war, dass Max ihnen beigestanden, ja, sie eigentlich sogar gerettet hatte und sie nun beschützte. Sie hatte ihm viel zu verdanken. Und nicht nur sie, auch ihre Tanten.
»Es sind nur noch zwei Tage bis zu deinem Geburtstag«, mahnte Agnes.
Die Zeit lief ihnen davon.
»Es war während der Kreuzzüge. Damals wurde die Tafel auf der Insel Rhodos entdeckt«, sagte Max, um das Gespräch zu dem neuen Anhaltspunkt zurückzubringen. Dann erhob er sich. »Und mir fällt nur ein wichtiges Stück ein, das bei der Tafel gefunden wurde.« Er lächelte Sabine an. »Das Schwert des Achilles.«
Das imposante Herrenhaus lag mitten im Hydepark. Mit seiner erst kürzlich erneuerten Kalksteinfassade sah das zweistöckige Haus pompös und glanzvoll aus.
»Wer wohnt hier?«, flüsterte Sabine und raffte ihre Röcke, als sie die Eingangsstufen hinaufstiegen. Vor ein paar Stunden war Max mit einem Ballkleid für sie nach Hause gekommen, einem traumhaft schönen Kleid, das er
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