Das Rätsel deiner Leidenschaft
sondern einige der Herren streichelten sogar ganz unverhohlen ihre Partnerin oder knabberten an ihrem Nacken oder ihren Ohrläppchen. Sabine war jetzt ganz froh, dass sie Max' Angebot zu tanzen abgelehnt hatte.
Die Gäste hier gehörten eindeutig zu etwas anderen Kreisen der Londoner Gesellschaft als jene, die in ihrem Geschäft einkauften. Sie waren ein bisschen älter, nicht unbedingt an Jahren, aber an Erfahrung – vielleicht wäre aufgeschlossener oder weltoffener eine treffendere Beschreibung für sie. Die Frauen bewegten sich auf eine sinnlich-provokante Art und Weise, als wären sie es gewöhnt, dass Liebhaber jede ihrer Bewegungen verfolgten. Schüchterne Jungfrauen gab es keine unter ihnen.
Auch die Männer musterten die Frauen mit unverhohlenem Interesse, nicht verstohlen oder heimlich, sondern völlig ungeniert. Dies war ein anderes London als das, das ihr bislang begegnet war. Max hatte sie gewarnt, und es war überaus faszinierend, diese Leute zu beobachten. Denn alles, was Sabine von der englischen Gesellschaft gesehen und über sie gehört hatte, legte nahe, dass sie Schicklichkeit und Anstand über alles andere stellte.
»Sabine«, flüsterte Max, der so dicht hinter sie getreten war, dass sie seine Wärme spürte. Sie müsste nicht einmal einen ganzen Schritt machen, um sich an seine muskulöse Brust zu lehnen.
»Entschuldige. Ich ...« Sie unterbrach sich. Was konnte sie auch sagen? Dass sie von der sinnlichen Atmosphäre angesteckt worden war? Dass sie selbst ein erotisches Bewusstsein zu spüren begann, das ein Prickeln in ihr auslöste und ihre Nerven zum Flattern brachte?
»Es ist eine ›Lover's Party‹«, flüsterte Max ihr zu.
Sabine fuhr herum. »Was?«
Er lachte leise. »Ich glaube nicht, dass das der offizielle Name ist, aber das ist, was es ist.« Er ließ seine Hand an ihrem Arm hinuntergleiten. »Seit die Herzogin verwitwet ist, gönnt sie sich ein ziemlich unkonventionelles Leben.«
»Und jetzt glaubt jeder hier, wir hätten ein Verhältnis?«, fragte Sabine.
»Definitiv.« Er gab sich keine Mühe, das Lächeln zu verbergen, das seine Mundwinkel umspielte.
»Na großartig.« Aber im Grunde war es ja auch so. Und kümmerte es sie wirklich, was diese Leute von ihr dachten? Nein, das tat es nicht. Trotzdem war ihr, als müsste sie verärgert sein. Auch wenn das Hiersein mit Max sie eher mit Stolz als mit Verlegenheit erfüllte. »Dir macht das alles großen Spaß, nicht wahr?«, fragte sie.
Er zwang sich, die Stirn zu runzeln. »Aber ganz und gar nicht.«
»Sollen wir jetzt das Schwert suchen?« Sie griff nach seiner Hand und zog ihn mit.
»Natürlich. Gehen wir.«
Sie fanden ein Arbeitszimmer mit anderen Sammlerstücken, die meisten davon Vasen und andere Porzellan- oder Tonwaren, aber keine Waffen. In den anderen Räumen des ersten Stocks fanden sie mehr oder weniger Ähnliches, aber nichts, das einem Schwert ähnelte oder gar ein Hinweis auf die Taube hätte sein können.
»Es schien dir nichts ausgemacht zu haben, meine Geliebte zu spielen, als wir in der Königlichen Bibliothek waren«, bemerkte Max. »Du hast diesen armen Mann ganz schön schockiert.«
Zuerst hatte Sabine gedacht, Max würde von der vergangenen Nacht anfangen, in der sie so schamlos, frivol und hemmungslos gewesen war, dass sie nicht einmal darüber nachdenken wollte, warum. Sie sagte sich, es habe an ihrer Müdigkeit gelegen, an ihrer Frustration über die nutzlose Suche nach der Taube. Aber es hatte auch noch andere Gründe. Sie hatte begonnen, sich auf Max zu verlassen, und gestern Nacht, als sie so dringend Trost gebraucht hatte, hatte sie den in seinen Armen gefunden.
Aber Max hatte kein Wort über die vergangene Nacht verloren, er hatte von der Bibliothek gesprochen. »Ich wollte nur vermeiden, dass man dich verhaftet. Hätte dieser Mann Alarm geschlagen, wärst du in ernsten Schwierigkeiten gewesen, so wie du mit der Tafel umgegangen bist. Ich habe nur geschauspielert, mehr nicht.«
Max blieb abrupt stehen und sah sie an. Sabine erwiderte seinen Blick und versuchte, einen Hinweis auf die Ursache für seinen merkwürdigen Gesichtsausdruck zu finden, aber er gab ihr keinen.
»Nur geschauspielert. So, so«, sagte er. »Komm jetzt, lass uns weitergehen zum nächsten Stock.«
Sabine nickte.
Seite an Seite stiegen sie die Treppe zum zweiten Stock hinauf, wo sie am Ende eines dunklen Gangs an einem Paar vorbeikamen, das sich völlig hemmungslos liebte. Die Frau saß vor dem Mann auf einem
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