Das Rätsel deiner Leidenschaft
persönlich für sie ausgesucht hatte. Dieses zauberhafte Kleid war aus schimmernder Seide in einem wundervollen klaren Blauton gearbeitet. Es war mit Paspeln aus dunklerem blauen Samt abgesetzt und passte ihr wie angegossen.
»Die Witwe des verstorbenen Duke of Camden«, beantwortete Max ihre Frage. »Und vielleicht sollte ich dich warnen«, flüsterte er an ihrem Ohr, »dass dies hier kein gewöhnlicher Ball ist.«
Sabine war nicht sicher, was er meinte, da sie ohnehin noch nie auf einem Ball gewesen war. Sie wollte ihn fragen, was er damit sagen wollte, doch bevor sie dazu kam, wurden sie zusammen mit einigen anderen Gästen an der Eingangstür von einem Diener in Empfang genommen. »Der Marquess of Lindberg und sein Gast«, sagte Max zu dem Mann, der ihr Eintreten dann der gesamten Gästeschar ankündigte. Die mit Kerzen und Moosröschen geschmückte Empfangshalle war riesig, und die Decke schien bis in den Himmel zu reichen.
»Maxwell, was für eine Überraschung! Ich wusste gar nicht, dass du heute teilnimmst«, begrüßte ihn eine Frau mittleren Alters, deren dichtes rotes Haar zu einer aufwendigen Lockenfrisur aufgesteckt war. Ihr tief ausgeschnittenes Kleid offenbarte einen mehr als üppigen Busen, und direkt über der tiefen Mulde zwischen ihren Brüsten hing ein breites, pinkfarbenes Diamantkollier.
Max beugte sich in einer galanten Geste über ihre Hand. »Mein Antwortschreiben muss wohl in der Post verloren gegangen sein«, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln.
»Zweifellos«, erwiderte die Frau, deren Lächeln auch viel Witz und Charme verriet.
»Darf ich dir Miss Sabine Tobias vorstellen?«, sagte Max. »Sie und ihre Tanten sind relativ neu in London, und wir sind erst seit Kurzem miteinander befreundet.« Eine versteckte Anspielung schien in seinen letzten beiden Worten zu liegen. Dann wandte er sich Sabine zu. »Die Duchess of Camden.«
Sabine überlegte, ob sie ihn korrigieren und richtigstellen sollte, in welcher Beziehung sie zueinander standen, aber wie viele Leute fänden es weniger anstößig – wenn nicht sogar unglaublich –, dass eine uralte Prophezeiung sie verband und keine Liaison? Deshalb sagte sie nichts und beschränkte sich auf ein paar höfliche Worte zu der Herzogin.
»Willkommen in meinem Haus. Ich wünsche euch einen schönen Abend«, sagte die Frau und wandte sich ab, um weitere Gäste zu begrüßen.
Als Max Sabine weiterführte, zog er sie dicht an seine Seite. »Ihr verstorbener Mann war ein begeisterter Antiquitätensammler. Er hat sich oft damit gebrüstet, wie gut er Achilles' Schwert gesichert hat. Jetzt müssen wir es nur noch finden.«
Arm in Arm spazierten sie durch das Foyer. Auf halbem Weg zum Ballsaal waren sie bereits an zwei hoch an einer Wand hängenden Schwertern vorbeigekommen. »Woher sollen wir wissen, welches Schwert es ist?«, fragte Sabine.
Max nickte einem vorübergehenden Paar zu, wartete aber, bis sie außer Hörweite waren, bevor er antwortete. »Den Gerüchten nach soll es ziemlich groß und reich verziert sein. ›Von den Göttern geschmiedet‹, heißt es«, bemerkte er lächelnd.
»Aber sicher.« Eigentlich dürfte sie sich nicht darüber mokieren. Glaubte sie nicht selbst daran, dass das Elixier, das sie beschützte, den Atlantiden von Poseidon höchstpersönlich übergeben worden war? Aber in Wahrheit hatte sie sich noch nie Gedanken darüber gemacht.
Der Ballsaal war leer, nicht an Menschen, aber an jeglicher Art von Waffen. Was wohl auch das Beste war, wenn man bedachte, wie reichlich der Champagner floss. Es wäre eine Katastrophe, wenn zwei erzürnte Herren an Waffen herankämen, um ihren Disput gleich hier im Ballsaal auszutragen.
»Möchtest du tanzen, bevor wir uns woanders umsehen?«, fragte Max.
Seine einfache und vielleicht nicht ganz ernst gemeinte Frage ließ sie zögern und ihr Herz gleich schneller schlagen. Sabine war nicht sicher, ob sie tanzen konnte, oder jedenfalls nicht so, wie es in der feinen englischen Gesellschaft üblich war. Aber dies war ohnehin nicht der Moment, um sich mit solchen Oberflächlichkeiten aufzuhalten. Sie hatten eine Aufgabe zu erfüllen, und die Uhr tickte.
»Nein, danke«, sagte sie.
Über eine breite Treppe begaben sie sich in den ersten Stock, von dessen Balustrade der ganze Ballsaal zu überblicken war. Elegant gekleidete Paare glitten im Rhythmus der Musik über die Tanzfläche. Die Kapelle spielte gerade einen Walzer, und die Paare hielten sich nicht nur sehr eng in den Armen,
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