Das Rätsel der dritten Meile
«Nein, sie sind auf Westerbys Maschine geschrieben worden — das steht doch schon längst fest. Ich meine übrigens, das hätte ich Ihnen auch gesagt.»
«Haben Sie auch», sagte Lewis, «aber Sie müssen sich geirrt haben. Meine Schriftprobe von Browne-Smiths Maschine stimmt vom Schriftbild her genau überein mit dem Zettel, der beim Pedell hinterlegt worden ist und auch mit dem Brief, den wir in der Tasche des Toten gefunden haben. Und da jede Maschine ihr eigenes, unverwechselbares Schriftbild hat — das ist ja wie mit Fingerabdrücken, Sir...»
Morse wurde allmählich ungeduldig. «Der Brief ist auf der Maschine von Westerby geschrieben worden! Hören Sie jetzt endlich auf, solchen Unsinn zu reden. Wie kommen Sie überhaupt dazu, sich mit Browne-Smiths Maschine zu befassen, dazu hatten Sie doch überhaupt keinen Auftrag. Oder hören Sie mir nicht mehr zu, wenn ich Ihnen etwas sage, Sergeant?»
«Ich höre schon zu», sagte Lewis trotzig. «Und ich habe genau getan, was Sie mir sagten: ich bin ins College gefahren, habe festgestellt, auf welcher Maschine der Brief getippt wurde und habe diese Maschine hergebracht.»
«Das eben habe ich nicht gesagt!» Morse brüllte fast. «Ich habe gesagt, Sie sollten Westerbys Maschine holen, sonst gar nichts.»
Lewis schluckte und schwieg.
«Und? Haben Sie Westerbys Maschine geholt?»
«Sie war nicht mehr da», murmelte Lewis. «Die Umzugsleute müssen sie inzwischen weggeschafft haben — dafür kann ich ja nun nichts, oder? Ich gebe mir immer die größte Mühe, alles möglichst sorgfältig zu erledigen, und ich finde, ab und zu hätte ich auch mal ein Dankeschön verdient...»
«Aber mein lieber Lewis», Morse war auf einmal wie verwandelt, «Sie sind einfach viel zu empfindlich! Auch wenn ich manchmal lospoltere — niemand weiß doch den Wert Ihrer Arbeit besser zu schätzen als ich. Im übrigen habe ich inzwischen begriffen, wie es zu Ihrem Irrtum in bezug auf die Maschine kommen konnte. Aber gehen wir das Ganze doch gemeinsam noch einmal durch. Den ersten Satz auf dem Bogen habe ich auf der Maschine von Browne-Smith geschrieben, den zweiten auf der von Westerby. Durch einen Vergleich haben wir festgestellt, daß das Schriftbild des zweiten Satzes sowohl mit dem der beim Pedell hinterlegten Notiz wie auch dem des Brieffragments, das wir in der Hosentasche der Leiche gefunden haben, identisch ist. Die einzig mögliche Schlußfolgerung ist daher die, daß sowohl diese Notiz als auch der Brief auf Westerbys Schreibmaschine getippt wurden. Ich nehme an, Sie stimmen mir da zu, Lewis, oder?»
Der Sergeant zuckte nur hilflos die Achseln.
«Tja, aber was machen wir denn nun mit dem, was Sie herausgefunden haben? Denn Sie behaupten ja, nachdem Sie sorgfältig, wie Sie sind, selbst noch einmal eine Schriftprobe genommen haben, daß die Notiz und der Brief auf Browne-Smiths Maschine getippt worden sind. Waren Sie vielleicht nachlässig, oder haben Sie etwas verwechselt? Nein, Lewis, das würde Ihnen so gar nicht ähnlich sehen. Also bleibt nur eine einzige plausible Erklärung für das Ganze — ich nehme an, Sie sind auch schon darauf gekommen, oder?»
Lewis nickte vage und lehnte sich zurück. So wie er Morse kannte, würde sich dieser die Gelegenheit, seine überlegene Intelligenz zu demonstrieren, nicht entgehen lassen.
«Ja, es ist alles ganz einfach, das heißt, wenn man erst einmal darauf gekommen ist: die Schreibmaschinen sind vertauscht worden. Das wirft ein ganz neues Licht auf den Fall, Lewis. Und das ist allein Ihnen zu verdanken, das möchte ich hier doch noch einmal ausdrücklich feststellen.»
Lewis war zwar nicht ganz klar, wovon Morse eigentlich sprach, aber er begriff, daß ihm soeben eine Anerkennung ausgesprochen worden war. Er bedankte sich, indem er bescheiden lächelnd den Kopf neigte.
«Nachdem Sie uns soviel weitergeholfen haben, wäre ich übrigens sehr daran interessiert, einmal zu hören, wie Sie den Fall überhaupt sehen, mein lieber Lewis», sagte Morse. «Sie brauchen sich nicht bei Details aufzuhalten — nur so in groben Zügen.»
«Nun», begann Lewis zögernd angesichts dieser ungewöhnlichen Aufforderung, «ich denke, daß alles damit anfing, daß Browne-Smith einen Brief von jemandem bekam, der ganz scharf darauf war, möglichst schnell ein bestimmtes Prüfungsergebnis zu erfahren, und daß dieser Jemand Browne-Smith praktisch ein Tauschgeschäft angeboten hat, so nach dem Motto .»
«Und
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