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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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einer roten Schleife zusammengebundenes Stück Papier. Beatrice versuchte der Alten zu verstehen zu geben, dass sie das Papier nicht kaufen wollte. Sie hatte noch nicht einmal Geld bei sich. Doch die Alte winkte ab und war im nächsten Augenblick im Gedränge verschwunden.
    »Gab es Schwierigkeiten?«, fragte Dschinkim sie besorgt, als sie ihn endlich wieder eingeholt hatte.
    »Nein.« Beatrice schüttelte den Kopf. Sie begriff immer noch nicht, was die Alte von ihr gewollt hatte. »Eine alte Frau hat mich angesprochen. Ich habe sie nicht verstanden. Und dann gab sie mir dies hier.«
    Sie zeigte Dschinkim die kleine Rolle.
    »Die Alte war offensichtlich eine Wahrsagerin«, erklärte er. »Hier auf dem Markt gibt es viele. Sie lesen dir aus der Hand oder den Augen die Zukunft, werfen Knochen, beobachten die Wolken oder lassen sich in Trance versetzen. Auf dieser Schriftrolle ist vermutlich ein Spruch geschrieben, der dir deine Zukunft weist oder dich vor Unheil beschützen soll.«
    Doch Beatrice kam es vor, als wäre Dschinkim plötzlich bleich geworden. So als wollte er ihr verheimlichen, dass auf diesem Stück Papier ebenso gut ein Fluch stehen konnte. Sie starrte auf die kleine Rolle, die so unschuldig und harmlos aussah.
    »Soll ich sie fortwerfen?«, fragte sie.
    »Nein. Du kannst deinem Schicksal ohnehin nicht entfliehen«, antwortete Dschinkim und bestätigte damit Beatrices Verdacht. Er glaubte nicht daran, dass dieses Papier etwas Positives enthielt. »Und oft ist es besser, dem Schicksal sehenden Auges gegenüberzutreten, als von ihm überrascht zu werden.«
    Ohne weitere Zwischenfälle setzten sie ihren Weg fort. Sie passierten das östliche Tor der Stadt, ohne dass die Wachen ihnen mehr Beachtung schenkten als den zahllosen Händlern und Bauern, die Taitu verlassen wollten oder Einlass begehrten, um ihre Waren auf dem Markt anzubieten.
    In gemächlichem Tempo ging es die östliche Straße entlang, bis sie sie schließlich verließen und in das Hügelland ritten.
    Der eisig kalte Wind wehte Beatrice ins Gesicht und ließ sie trotz des warmen Fellmantels und der Pelzmütze frösteln. Das gefrorene Gras knirschte unter den Hufen der Pferde. Wie sah diese Landschaft wohl im Winter aus? Beatrice versuchte, sich die schneebedeckten Hügel vorzustellen, weiß und rein.
    Gern würde ich das sehen, dachte sie und merkte, dass sie nicht an die Erfüllung dieses Wunsches glaubte. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass sie nicht mehr so lange hier bleiben würde.
    »Wir sind da«, sagte Dschinkim nach einer Weile und riss sie aus ihren Gedanken. Er zügelte seinen Hengst und brachte das Tier zum Stehen.
    Überrascht sah Beatrice sich um. Sie konnte nicht begreifen, wo sie angeblich angekommen waren, denn weit und breit gab es nichts. Wohl waren da Hügel, und in der Ferne konnte sie die dunklen Schatten von Wäldern erkennen, aber hier befanden sie sich in einer Senke, und weit und breit gab es keinen Baum, keinen Strauch, keine Hütte, keinen Bach, nichts, nicht einmal einen größeren Stein oder Felsen. Hier war nichts außer dem langen, mit einer Reifschicht überzogenen Gras unter und einem blassblauen Himmel über ihnen.
    »Hier gibt es nichts, was einem Feind als Versteck dienen könnte«, sagte Dschinkim, und Beatrice fragte sich, ob ihre Gedanken so leicht von ihrem Gesicht abzulesen waren oder ob der Mongole über die seltene Gabe der Telepathie verfügte. »In Taitu können wir keine zwei Worte miteinander wechseln, ohne dass der ganze Palast davon erfährt. Dort lauern die Spione überall. Hier können wir wenigstens sicher sein, dass niemand uns belauscht. Und nun erzähle mir, was Maffeo widerfahren ist und was du darüber weißt.«
    Beatrice berichtete Dschinkim, wie sie Maffeo am Vorabend in ihrem Zimmer vorgefunden hatte, was er von Li Mu Bai erzählt und was sie durch die Untersuchung herausgefunden hatte. Sie war selbst überrascht, wie wenig es im Grunde war.
    Dschinkim hörte ihr schweigend zu.
    »Wie heißt das Gift?«, fragte er, als sie ihren Bericht abgeschlossen hatte.
    »Das Gift heißt Atropin. Es wird aus den Früchten eines Strauches gewonnen. In meiner Heimat nennen wir diese Pflanze Tollkirsche, weil die Früchte wie dunkle Kirschen aussehen und sie, wenn man sie isst, Wahnvorstellungen und Visionen hervorrufen. Ein anderer, ebenfalls verbreiteter Name ist Belladonna. Frauen träufeln sich den Saft dieser Früchte in die Augen, um die Pupillen zu erweitern und attraktiver auszusehen. Das

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