Das Rätsel der Fatima
mag in deinen Ohren zwar alles harmlos klingen, aber in hohen Dosen eingenommen, kann dieses Gift tödlich wirken. Besonders bei Menschen, die ein schwaches Herz haben.«
»So wie Maffeo?«
»Ja, genau so.«
»Komisch, von einem solchen Gift habe ich noch nie gehört.«
»Wahrscheinlich habt ihr ihm einen anderen Namen gegeben.«
Dschinkim schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich kenne die Pflanzen meiner Heimat sehr gut, aber einen Strauch, wie du ihn beschrieben hast, habe ich noch nie gesehen. Und da Li Mu Bai nichts mit den Anzeichen der Vergiftung anfangen konnte, nehme ich an, dass dieses Gift auch den Chinesen unbekannt ist.«
»Dann heißt es also, herauszufinden, wer im kaiserlichen Palast über ein solches Gift Bescheid wissen könnte und wer Maffeo nach dem Leben trachtet«, sagte Beatrice. »Dafür dürften eigentlich nicht so viele infrage kommen.«
»Du irrst«, erwiderte Dschinkim. »Es sind mehr, als du glaubst.« Er starrte in die Ferne. »Da sind die Araber, allen voran Ahmad, der Finanzminister Khubilais. Ich glaube, du kennst ihn. Er kam zu mir an dem Tag als du dich in mein Gemach verirrt hast und…« Er brach ab, und eine leichte Röte überzog seine Wangen. »Ahmad ist ein verschlagener Mann. Ich vermute seit Langem, dass er Khubilai um Geld betrügt und aus der Staatskasse immer wieder erhebliche Summen für sich oder seine dunklen Ziele abzweigt. Doch solange ich ihm nichts nachweisen kann, glaubt Khubilai mir natürlich nicht. Aus diesem Grund habe ich erst kurz vor unserer Abreise nach Taitu Maffeo gebeten, heimlich die Bücher des Arabers zu überprüfen. Er beherrscht die Sprache und die Schrift dieser Schurken und kennt sich in der Welt der Kaufleute aus. Vielleicht hat er bereits etwas entdeckt, das Ahmad gefährlich werden könnte.«
»Ja, Maffeo hat mir davon erzählt.« Beatrice runzelte nachdenklich die Stirn. »Ein Motiv hätte er also. Aber wie ist es mit der Gelegenheit?«
»Eine Kleinigkeit für ihn. Wie du weißt, sind die Araber Kaufleute. Ihre Kontakte reichen bis ins ferne Abendland. Einer seiner Freunde könnte ihm das Gift beschafft haben.«
»Ahmad gehört also unbedingt in den engeren Kreis der Verdächtigen«, sagte Beatrice und dachte an das Gespräch, das sie belauscht hatte. Plötzlich hörte sie wieder das bösartige, harte Lachen des anderen Mannes, jener mit dem starken Akzent, den sie nur für den Bruchteil eines Augenblicks im Profil gesehen hatte. Der Wind frischte auf, und fröstelnd zog sie den Mantel enger um sich.
Der Wind ist heute wirklich eisig kalt, dachte sie. Eigentlich ein Wunder, dass es noch nicht geschneit hat.
»Wer könnte sonst noch ein Interesse an Maffeos Tod haben?«
»Marco.«
Beatrice sah Dschinkim ungläubig an. Natürlich, Maffeo hatte nicht nur von Ahmad, sondern auch von Marco gesprochen. Aber das war doch wohl kein Grund, seinen eigenen Onkel umzubringen? Oder? Sie sah plötzlich das achtlos am Boden liegende Tuch vor sich. War Marco wirklich so oberflächlich, so kalt und skrupellos? Aber das konnte doch nicht sein. Das würde ja bedeuten, dass Marco Polo, der Held, der mit seinen Reisebeschreibungen Generationen von Europäern bis ins 21. Jahrhundert hinein fasziniert hatte, im Grunde genommen nichts anderes war als ein Gauner.
»Du sprichst wirklich von Marco Polo? Bist du sicher?« Sie wollte es immer noch nicht glauben. Sie war bereit, um den Ruf dieses Mannes zu kämpfen, obwohl eine Stimme ihr sagte, dass Dschinkim recht hatte. »Er ist doch sein Neffe und… Weshalb sollte ausgerechnet Marco Maffeo umbringen wollen?«
»Weil er ein skrupelloser Mann ist und Maffeo etwas besitzt, das Marco gern selbst in seinem Besitz hätte«, antwortete Dschinkim. »Maffeo nennt etwas überaus Wertvolles, Einmaliges sein Eigentum, etwas, für das sogar bessere, ehrlichere Männer als Marco bereit wären, einen Mord zu begehen. Ich glaube sogar, du weißt, was es ist.«
Sein Blick drang durch sie hindurch, als wäre sie aus Glas. Beatrice spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Konnte es sein, dass Dschinkim vom Stein der Fatima sprach? Aber woher sollte er davon wissen? Vielleicht hatte er tatsächlich telepathische Fähigkeiten.
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte Beatrice und gab sich Mühe, entrüstet zu erscheinen. Allerdings schien ihr das gründlich zu misslingen, denn Dschinkim lachte, als hätte sie ihm einen guten Witz erzählt.
»Du brauchst mir dein Geheimnis nicht anzuvertrauen«,
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