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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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sei es.« Khubilai legte Beatrice eine Hand auf die Schulter. »Deine Heimat muss ein interessantes Land sein. Nie zuvor habe ich davon gehört, dass Männer einer Frau die Behandlung ihrer Verletzungen anvertrauen. Eines Tages wirst du mir mehr darüber berichten. Aber nicht heute. Auf unserer Reise werden wir noch viel Zeit haben. Jetzt habe ich meinem Enkel versprochen, ihm noch vor dem Schlafen eine Geschichte zu erzählen. Und jeder Mann sollte sein Wort halten – erst recht einem Kind gegenüber.«
    Maffeo und Beatrice verneigten sich vor dem Kaiser und verließen das Zimmer. Den Rückweg zu Maffeos Gemächern ging Beatrice nicht, sie schwebte. Sie konnte es immer noch nicht fassen. War das eben alles wirklich passiert? Hatte Khubilai ihr soeben eine Ausbildung angeboten und sie gleichzeitig gebeten, andere Ärzte auszubilden? Oder hatte sie bloß geträumt? Dies war ein Wissens- und Kulturaustausch, wie er erst seit den achtziger Jahren zwischen der Universität Hamburg und der Universität Peking stattfand. Die Hamburger hatten sich stolz auf die Schultern geklopft angesichts dieser fortschrittlichen Beziehungen. Es gab Feierstunden, Studenten und Dozenten wurden ausgetauscht. Doch im Vergleich hierzu war das geradezu lächerlich. Khubilai Khan war seiner Zeit um mehrere Jahrhunderte voraus. Und diesen Mann hatte sie für ungebildet und rückständig gehalten! Meinten die Historiker, die von einem blutrünstigen, ungebildeten Tyrannen sprachen, wirklich denselben Khubilai Khan, den sie soeben kennen gelernt hatte? Es war kaum zu glauben. Da fiel Beatrice ein Satz ein, den sie irgendwann mal in einer Zeitung gelesen hatte. »Geschichte ist eine Frage des Blickwinkels.«
    Natürlich hatte man sich im zivilisierten Westen nicht nach den mündlichen Überlieferungen der mongolischen Stämme gerichtet. Natürlich wurden die schriftlichen Aufzeichnungen der Chinesen für seriöser gehalten. Dass sie als Besiegte nicht gerade gut auf die Mongolen zu sprechen waren und deshalb der Geschichte ihre Sicht der Dinge aufgedrückt hatten, schien dabei keine Rolle zu spielen. Oder die Geschichtsforscher hatten es einfach übersehen.
    Als Beatrice und Maffeo ihre Gemächer erreichten, wurden sie bereits erwartet. Aus dem Schatten einer Säule löste sich eine Gestalt und kam auf sie zu. Es war der junge Europäer, der Beatrice schon im Thronsaal aufgefallen war. Er breitete seine Arme aus und sagte etwas auf Italienisch.
    »Sei auch du gegrüßt, Marco. Doch ich bitte dich, sprich arabisch«, erwiderte Maffeo und fuhr sich müde über das Gesicht. »Beatrice versteht uns sonst nicht.«
    »Verzeiht, edle Dame«, sagte der junge Mann und verbeugte sich galant. »Sollte ich Euch beleidigt haben, so lag dies keinesfalls in meiner Absicht, sondern ist allein in meiner Unwissenheit begründet. Ich bitte Euch vielmals um Vergebung.« Er nahm Beatrices Hand. »Onkel, wollt Ihr uns nicht miteinander bekannt machen?«
    »Doch, natürlich. Verzeiht. Beatrice, darf ich dir meinen Neffen Marco vorstellen, Marco, dies ist Beatrice.«
    Marco führte ihre Hand an seine Lippen. Es war kaum mehr als ein Hauch, im Grunde genommen spürte sie nur seinen warmen Atem auf ihrer Haut. Trotzdem lief ihr ein Schauer über den Rücken. Marco richtete sich wieder auf und sah sie an. Er hatte schöne dunkle Augen, eine angenehme Stimme, und sein herausforderndes, charmantes Lächeln trieb ihr die Röte ins Gesicht. Irgendwo in ihrem Hinterkopf begannen die Alarmglocken zu läuten. Dieser Mann war gefährlich. Darüber konnte auch sein gepflegtes, akzentfreies Arabisch nicht hinwegtäuschen. Ihr Herz klopfte rasend schnell, und sie versuchte ihm ihre Hand wieder zu entziehen. Doch sie war nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft zu befreien. Dabei war sein Griff nicht einmal besonders fest. Er hielt ihre Hand so leicht wie eine Feder. Vielleicht benutzte er einen besonders effektiven Klebstoff.
    Du benimmst dich albern wie ein Teenager, der gerade seinen Schwarm trifft, dachte Beatrice. Sie war wütend auf sich und wütend auf Marco. Der Kerl wusste, welche Wirkung er auf sie hatte, da war sie sich ganz sicher. Und trotzdem…
    »Weshalb bist du gekommen, Marco?«, fragte Maffeo.
    Beatrice nutzte die Ablenkung und entzog Marco endlich ihre Hand. Sie war sich nicht sicher, ob Maffeo sich bewusst war, dass er sie aus einer unangenehmen Situation gerettet hatte. Dennoch warf sie ihm einen dankbaren Blick zu.
    »Verehrter Onkel, ich kam nur, um Euch zu

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