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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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begrüßen«, antwortete Marco und lächelte. »Wir haben uns schon lange nicht gesehen, und da hielt ich es für meine Pflicht, Euch aufzusuchen und Euch Wohlergehen zu wünschen.«
    »Das hast du hiermit getan, Marco«, erwiderte Maffeo. »Ich möchte dich bitten zu gehen. Ich bin sicher, dass dir Beatrices Zustand nicht verborgen geblieben ist. Nach einem derart langen und anstrengenden Tag braucht sie Ruhe.«
    Beatrice konnte sich nicht vorstellen, wie das möglich war, aber offensichtlich war Maffeo immun gegen den Charme seines Neffen. Sie würde ihn danach fragen müssen. Vielleicht konnte er auch ihr diesen Impfstoff besorgen.
    »Aber«, Marco wandte sich an Beatrice mit einem Lächeln, das sofort jede Form des weiblichen Widerstands durchbrach, »Ihr erlaubt mir doch, morgen wiederzukommen?«
    Beatrices Kehle war plötzlich so trocken, dass sie kein einziges Wort mehr herausbrachte. Also nickte sie.
    »Ich danke Euch.« Marco verneigte sich und hauchte einen weiteren Kuss auf ihre Hand. »Einen erholsamen Schlaf wünsche ich Euch, Beatrice. Und Euch auch, verehrter Onkel.«
    Marco verneigte sich noch einmal galant und ging mit den schnellen, beschwingten Schritten eines Tänzers davon.
    Beatrice sah ihm nach. Das war also Marco Polo, der große, berühmte Marco Polo. Vermutlich war ihr deshalb so zittrig zumute. Vermutlich fühlte sie sich deshalb so benommen, als würde sie aus einer Vollnarkose erwachen. Schließlich bekam man nicht jeden Tag die Gelegenheit, einem der Großen der Weltgeschichte zu begegnen. Einen anderen Grund konnte es für ihre zittrigen Knie nicht geben – oder doch?
    »Lass uns gehen«, sagte Maffeo und riss sie aus ihren Gedanken. »Wir sollten uns jetzt wirklich zur Ruhe begeben. Die Nacht ist schon weit fortgeschritten, und wer weiß, was der morgige Tag bringen wird.«
    Beatrice fiel auf, wie müde und erschöpft Maffeo plötzlich aussah. Er war richtig grau im Gesicht geworden. Sie hingegen war hellwach, geradezu beschwingt, als hätte sie ein Glas Champagner getrunken. Hätte Maffeo ihr jetzt den Vorschlag gemacht, ihr noch etwas vom Nachtleben in Shangdou zu zeigen, sie hätte begeistert zugestimmt.
    Es muss ein ziemlich anstrengender Tag für ihn gewesen sein, dachte sie und hatte plötzlich Mitleid mit ihm. Er ist wirklich nicht mehr der Jüngste.
    Mit einem Seufzer und einem mitleidigen Lächeln folgte sie ihm in seine Gemächer.
    Die Nacht hatte ihren Höhepunkt überschritten, alles war still im Palast, Menschen und Tiere lagen in tiefem Schlaf. Schnell und lautlos wie ein Schatten huschte Ahmad auf seinem Weg zu der Schreibstube über die dunklen, nur von wenigen Fackeln spärlich erleuchteten Gänge. Niemand sah ihn, niemand bemerkte ihn. Trotzdem blieb er stehen und versteckte sich rasch in einer Nische. Er wickelte seinen langen schwarzen Umhang eng um sich, verschmolz mit den Schatten zu einer Einheit, lauschte und schaute über die Schulter zurück, um sich zu vergewissern, dass ihm tatsächlich niemand folgte. Er war zwar vorsichtig gewesen, aber Spione lauerten überall. Was er vorhatte, war gefährlich. Dabei ertappt zu werden würde sein Todesurteil bedeuten. Khubilai Khan hatte Männer schon wegen weitaus geringerer Vergehen hinrichten lassen.
    Ahmad presste sich gegen die Wand der Nische, schloss die Augen, hielt den Atem an und horchte. Doch weit und breit gab es kein verdächtiges Geräusch – weder hastige leise Schritte noch Rascheln von Stoff. Es war nichts zu hören außer seinem eigenen wilden Herzschlag, der in seinen Ohren dröhnte. Es schien ihm wirklich niemand zu folgen. Ahmad sah sich noch einmal um, verließ dann die Nische und eilte weiter. Wenn er sein Vorhaben tatsächlich bis zum Tagesanbruch zu Ende bringen wollte, musste er sich beeilen.
    Als er schließlich die Schreibstube erreichte, stellte er zu seiner großen Überraschung fest, dass die Tür bereits offen war. Der schwere eiserne Riegel baumelte lose an dem dicken Tau, mit dem er normalerweise gesichert wurde. Und die Tür stand einen winzigen Spalt offen.
    Ahmads Herz begann zu rasen. Erwartete man ihn etwa? Er konnte sich zwar nicht daran erinnern, dass er jemandem von seinem Vorhaben berichtet hatte, und doch war es nicht ausgeschlossen. Es gab kluge Köpfe und mit allen Wassern gewaschene Männer wie den Venezianer am Hof des Khans. Ein Wort, eine Andeutung genügte, und sie zählten zwei und zwei zusammen und kannten die ganze Wahrheit. Aus diesem Grund hatte Ahmad sich

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