Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
dem Tor. Ich denke, da will irgend jemand etwas verkaufen. Nein, laß mich gehen! Du
weißt doch, wie leicht du immer zu erweichen bist!«
Das Paar, das an der Tür stand,
machte einen nicht gerade anziehenden Eindruck. Doch der Größere sprach ziemlich
höflich: »Guten Morgen, mein Fräulein! Ich habe hier interessante Sachen zum
Lesen.« Damit wies er auf einen Haufen Druckschriften und Broschüren hin, mit
Titeln wie »Der Zorn, der kommen wird« und »Nach der Atombombe«.
»Tut mir leid«, erwiderte Beth
kurz angebunden, »kein Bedarf.« Für sich selbst fügte sie hinzu: Ihr gefallt
mir gar nicht. Der kleinere Mann zuckte enttäuscht die Schultern und wollte
sich schon zum Gehen wenden; doch der andere ließ nicht locker: »Für die
Zukunft sollte sich doch jeder interessieren! Was Sie auch dagegen sagen,
Fräulein: Es ist Ihre Zukunft so gut wie meine!«
»Ganz richtig. Aber ich wüßte
nicht, was ich dabei tun könnte«, entgegnete Beth und probierte es mit ihrem
berühmten Lächeln. Das war allerdings völlig verfehlt, denn der Mann erklärte
nur: »Sie sind doch nicht die Dame des Hauses? Die hätte ich gern gesprochen.«
»Ich fürchte, das geht nicht.
Sie ist gerade sehr beschäftigt.« Damit schloß sie behutsam, aber nachdrücklich
die Tür.
»Wer war es denn, Liebling?« fragte
Alice von ihrem Schlafzimmer her.
»Ach, nur zwei Männer, die
komische Bücher über das Ende der Welt verkaufen wollten.«
»Na, darüber nachzudenken haben
wir heute vormittag wirklich keine Zeit. So eine
Zumutung!«
»Ja, ich möchte sagen, du hast
wirklich heute schon genügend Zumutungen gehabt: sechs Sandtorten und neun
Telefonanrufe, und Mrs. Brown, die sich krank fühlt
und nicht imstande ist, nach dem gestrickten Schal zu suchen. Ach, Mutter, in
was für verzwickte Angelegenheiten du doch immer hineingezogen wirst!« lachte
Beth, als sie ihrer Mutter half, mit einem widerspenstigen Reißverschluß fertigzuwerden.
Zwei Stunden später hatte der
Bürgermeister der Gemeinde mit einer äußerst langweiligen Rede den Basar für
eröffnet erklärt, und danach hatten die Verkäufer an ihren Ständen alle Hände
voll zu tun. Mrs. Sutherland schien für jedermann da
zu sein; immer wieder wurde sie aufgefordert, hier einen Streitfall zu
schlichten und dort ein paar verwickelte Probleme zu klären, so daß Beth sich
auf einmal in ihrem Verkaufsstand ganz allein fand. Endlich überschlug sie nach
einer kurzen Kaffeepause mit großer Befriedigung das Geld, das sie eingenommen
hatte, aber zugleich sah sie mit einem leichten Schauder auf die leeren Regale.
Würde der Kuchen reichen?
»Oh, wie fleißig du gewesen
bist«, rief ihre Mutter, die soeben wieder einmal auftauchte. »Ich hätte nicht
gedacht, daß du diese scheußlichen Taschenbücher, die die Doktorsfrau immer schickt, loswerden würdest. Und was für eine Nachfrage nach den
Schmucksachen! Hätten wir bloß mehr gehabt! Die Leute scheinen nach so etwas
ganz verrückt zu sein.«
Das Fach, in dem die billigen
Broschen und Ohrringe gelegen hatten, war fast leer. Beth sah hin, und aus
einem plötzlichen Impuls heraus sagte sie: »Ich lege diese dumme Brosche noch
dazu. Ich habe sie mir sowieso schon übergesehen!« Ihre Mutter guckte
überrascht. »Diese reizende Hibiskus-Brosche, die du in Honolulu bekommen hast?
Die dir der nette junge Mann als Andenken geschenkt hat? O nein, Liebling, tu
das nicht! Wenn du schnell nach Hause läufst, kannst du meine scheußlichen
falschen Perlen holen, und Ohrringe sind noch und noch da. Die lassen sich genausogut verkaufen.«
»Du wirst doch nicht die Perlen
weggeben, die Tante Edith dir zum letzten Geburtstag geschenkt hat!« erwiderte
Beth bestimmt und nahm ihre Brosche ab. »Die Perlen sind ganz hübsch, und das
hier ist sowieso ganz billig. Es sieht zwar nach etwas aus, aber ich mag die
Brosche nicht. Guck, die dort ist fast genauso. Kein Hibiskus, aber dieselben
großen roten Steine. Vielleicht nimmt sie jemand als zusammengehöriges Paar.
Ja, ich lege sie dazu! Warum immer so blöd sentimental sein!«
Alice gab ihren Widerstand auf.
Sie begriff, daß Beth endlich mit den Erinnerungen, die sich für sie mit der
Brosche verbanden, fertigwerden wollte. So sagte sie nur: »Das ist wirklich
lieb von dir, Beth. Was meinst du, wieviel wir dafür
nehmen können? Ob fünf Shilling zuviel sind?«
»Gerade richtig«, meinte ihre
Tochter und kam sich dabei ziemlich heldenhaft vor. So war sie eben: Sie benahm
sich vernünftig und
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