Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Raetsel der Liebe

Das Raetsel der Liebe

Titel: Das Raetsel der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Rowan
Vom Netzwerk:
Lydia.«
    »Du kannst Jane nicht so weit weg auf die Schule schicken. Nach Frankreich.« Der Anflug von Panik verstärkte sich. Ihr Herz schlug hart gegen die Rippen. »Das kannst du ihr nicht antun.«
    Das kannst du mir nicht antun.
    »Ich tue ihr gar nichts an, Lydia«, erwiderte ihre Großmutter. »Es ist zu ihrem Besten.«
    »Nein. Es ist zu weit weg. Sie wird nicht –«
    »Lieber Himmel, Lydia, es ist Paris, nicht der afrikanische Urwald«, fiel ihr Mrs Boyd ins Wort. »Wie ich bereits sagte: Wir können es uns nicht leisten, sie auf eine der besseren Londoner Schulen zu schicken, und Queens Bridge schon gar nicht. Lady Montague dagegen hat mir dank meiner Freundschaft mit Mrs Keene sowie aus ihrem Wunsch heraus, eine starke Anfangsklasse zu bilden, das überaus großzügige Angebot unterbreitet, Jane ein Stipendium zu gewähren.«
    »Und du hast angenommen?«
    »Ich habe es vor, ja.« Mrs Boyd seufzte und zupfte nervös an ihren Ärmelaufschlägen aus Spitze. »Lydia, ich möchte doch auch nicht, dass Jane uns verlässt. Aber wenn wir keinen Weg finden, wie wir sie auf eine Londoner Schule schicken können – eine exklusive Schule, wohlgemerkt, wo ihr die Bildung und Erziehung zuteilwird, die wir ihr nicht geben können – dann bleibt mir keine andere Wahl.«
    Sie hob den Kopf, und die beiden Frauen blickten sich eine ganze Weile lang stumm in die Augen. Lydias Herz verkrampfte sich, schrumpelte regelrecht zusammen. Zwischen ihr und ihrer Großmutter schien sich ein tausend Jahre breiter Abgrund aufzutun, bis an die Ränder angefüllt mit Bedauern und dem Schmerz des Verlustes.
    Sie wünschte, ihre Mutter wäre hier. Nicht die Frau mit dem gequälten, verbogenen Geist, sondern die Mutter, wie sie sie in Erinnerung hatte, bevor sich die Dunkelheit auf sie herabgesenkt hatte. Die Theodora Kellaway mit dem fröhlichen Lachen und der Seelenruhe, den sanften Händen und dem langen Haar, das dick war und golden glänzte wie Weizen.
    Und sie wünschte, auch ihr Vater wäre hier. Sie vermisste seine Sichtweise und die ruhige, ernsthafte Art, mit der er die Dinge anzugehen pflegte. Trotz allem hatte er für sie und Jane immer nur das Beste gewollt.
    »Du willst mich immer noch bestrafen, stimmt’s?« Die Frage brach aus ihr heraus, rau und bröckelig.
    »Es geht hier nicht um dich«, erwiderte ihre Großmutter. »Es geht um Jane.«
    »Natürlich geht es um mich! Du willst, dass ich niemals vergesse, was passiert ist, als du
mich
weggeschickt hast, oder etwa nicht?«
    »Lydia!« Mrs Boyd stieß ihren Gehstock auf den Fußboden. »Wie kannst du es wagen, mir zu unterstellen, dass diese Sache in irgendeiner Weise mit der Torheit zu tun hat, die
du
begangen hast? Lady Montagues Schule wurde zwar erst kürzlich eröffnet, doch wird sie Jane mit Sicherheit einen Ort bieten, an dem sie sowohl hervorragend unterrichtet wie auch
gebührend
beaufsichtigt wird.«
    Lydia starrte ihre Großmutter fassungslos an. Mrs Boyd, der offenbar klar wurde, was sie da eben gesagt hatte, verstummte abrupt. Lydia bebte vor Zorn.
    »Nein.« Sie ballte die Hände zu Fäusten. Ihre Augen füllten sich mit den brennend heißen Tränen der Wut.
    »Lydia –«
    »Nein. Ich werde das nicht zulassen. Ich werde nicht erlauben, dass du mir Jane wegnimmst!«
    Mit diesen Worten stürmte sie hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Auf dem Korridor blieb sie stehen. Die Finger in den Stoff ihrer Röcke gekrallt, holte sie tief Luft. Ihr Herz raste.
    Die große Standuhr in der Eingangshalle tickte laut. Über die Treppe krochen finstere Schatten. Der Spiegel warf sie in einer unheildrohenden Mischung aus Hell und Dunkel zurück.
    Ärger und Schmerz wühlten in Lydia, verzehrten gierig die letzten Reste von Scham. Sie riss die Vordertür auf, lief die Treppe hinunter und den Gehsteig entlang, schneller und schneller, bis sie rannte. Die kühle Nachtluft prickelte auf ihrem Gesicht. Sie lief, bis ihre Lungen schmerzten. Dann verlangsamte sie ihre Schritte und schlang keuchend die Arme um ihren Oberkörper, gegen den Schmerz und gegen die Kälte.
    Erschöpft ließ sie sich auf der Treppe eines unbeleuchteten Stadthauses niedersinken, legte den Kopf auf die Knie und versuchte, wieder zu Atem zu kommen und ihr wie rasend hämmerndes Herz zu beruhigen.
    Erinnerungen stiegen in ihr hoch, doch sie schob die Bilder energisch beiseite. Sie wollte nicht die ausgezehrte Gestalt ihrer Mutter sehen, das bleiche, verzweifelte Gesicht ihres Vaters, den Zorn ihrer

Weitere Kostenlose Bücher