1423 - Der Flirt mit dem Satan
Justine Cavallo wusste, wie die Frau hieß: Elsa Dunn. Und die Cavallo lauerte nicht grundlos in ihrer Nähe. Es gab so etwas wie einen Auftrag, und den hatte ihr Jane Collins, die Privatdetektivin, erteilt, mit der die Cavallo unter einem Dach lebte.
Jane hatte die Vampirin sogar darum gebeten, das Blut dieser Elsa Dunn zu trinken. Es war ein Vorschlag, über den Justine noch immer nachdachte. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, warum Jane ihr das gesagt hatte, obwohl ihr das natürlich entgegenkam.
Um auch weiterhin nach außen hin fast als normaler Mensch existieren zu können, brauchte sie das Blut der anderen, auch wenn man es ihr nicht ansah, denn sie hatte sich inzwischen gut unter Kontrolle.
Hin und wieder brach sie aus, und dann wurde es brutal. Wenn sie sich ein Opfer holte und es durch einen Biss zum Vampir machte, dann vernichtete sie es auch. Justine wollte nicht, dass London von Vampiren überschwemmt wurde, denn sie zog ihr eigenes Spiel durch. Auch für ihre Verbündete war sie noch immer ein Rätsel.
Und nun dieser Auftrag.
Elsa Dunn merkte nichts. Es war wohl die letzte warme Nacht, denn der Wetterbericht hatte eine Abkühlung angesagt. Der Himmel zeigte sich bereits voller Wolken. Gegen Morgen sollte es ein Gewitter geben.
Auf einem kleinen Hocker stand ein Glas mit einem Drink. Hin und wieder wurde es angehoben. Dann trank die Frau, und da sie es schon fast geleert hatte, würde es wohl nicht mehr lange dauern, bis sie aufstand und zurück in ihre Wohnung ging.
Noch wartete sie und genoss einen Ausblick, der eigentlich keiner war. Lichter schwammen von unten her hoch. Mal sahen sie normal aus, dann wieder farbig, weil sie von irgendwelchen Leuchtreklamen stammten, die Menschen anlocken sollten, ihr Geld in Pubs oder Bars auszugeben.
Soho lag in der Nähe. Obwohl sich der alte, schaurige Nimbus nicht mehr gehalten hatte, war es noch immer ein Magnet. Hier konnte jeder sein Vergnügen finden.
Die Vampirin hatte sich einen günstigen Platz ausgesucht. Sie beobachtete Elsa Dunn von der Seite her. Sie sah das Profil der anderen Person in einem weichen Lichtstreifen, der aus dem schrägen Dachfenster einer Wohnung fiel.
Justine lächelte scharf, als sie an das Blut ihres Opfers dachte. Warmes Blut, gut zu trinken. Pulsierend und frisch. Es würde ihr verdammt gut tun und sie endlich von ihrem schon beißenden Hunger befreien.
Allerdings wurde ihr Vorfreude dadurch gedämpft, wenn sie an den Grund des Wartens dachte. Sie war mit einem Auftrag gekommen, und damit hatte sie ihre Probleme.
Was wollte Jane damit bezwecken? Warum war sie nicht selbst auf das Dach geklettert, um sich mit dieser Dunn zu unterhalten?
Es waren Fragen, auf die Justine keine Antwort wusste. Aber sie konnte sich eine holen.
Wieder griff Elsa Dunn nach ihrem Glas. Lässig setzte sie es an die Lippen und trank es leer.
Das sah auch Justine, und sie glaubte, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war, um sich zu zeigen.
Hinter ihrer Deckung, dem recht hohen Kaminaufbau, richtete sie sich auf. Sie streckte ihren Körper und hörte dabei das leise Schaben des Leders. Dieses dünne schwarze Material bedeckte ihren Körper wie eine zweite Haut. Es zeichnete fast jede Falte nach, und der tief angesetzte Ausschnitt ließ einen Teil ihrer Brüste sehen.
Wenn Justine auftrat, dann stets sehr sexy. So lenkte sie die meisten Menschen von ihren wahren Absichten ab.
Dann ging sie vor, lautlos wie eine Katze, die sich den Schutz der Dunkelheit ausgesucht hatte. Es war kein Laut zu hören und kein Schatten zu sehen.
Elsa Dunn ahnte nichts. Sie hatte sich noch mal zurückgelegt, reckte sich und stöhnte dabei wohlig. Auf ihren Lippen lag ein Lächeln, als sie die Arme wieder anzog, um die Hände als Stütze zu benutzen, weil sie sich erheben wollte.
Justine stand noch im Schatten. Sie hatte sich bisher nicht bemerkbar gemacht und tat dies erst, als sich Elsa in die Höhe stemmte.
Oder stemmen wollte.
»Bleib lieber liegen!«
Die Frau mit den kurzen schwarzen Haaren war so überrascht und erschreckt, dass sie sich tatsächlich wieder zurückfallen ließ. Diesen Moment nutzte Justine Cavallo aus, um einen Schritt vorzugehen.
Damit verließ sie den Schatten und trat in das am Rand zerfasernde Licht hinein. Dicht neben dem Liegestuhl blieb sie stehen.
Die Dunkelhaarige drehte den Kopf. Sie blickte dabei zu Justine hoch und war so überrascht, dass sie zunächst keinen Ton hervorbrachte. Sie schüttelte nicht mai den Kopf und
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