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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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den nächsten Jackpot auf zwei Millionen Dollar.
    Jeffrey beugte sich vor, um den Mikrofilm besser lesen zu können, und dachte: Da haben wir’s. Er grinste bei dem Gedanken, wie leicht dem Anwalt die Lüge über die Lippen gekommen sein musste – ein weibliches Pronomen zu benutzen, als er es ablehnte, den Gewinner beim Namen zu nennen. Ein kleiner, harmloser Betrug, der Glaubwürdigkeit suggerierte. Was für Lügen gab es noch? Den Unfall außerhalb der Stadt. Ein Bestattungsinstitut, das es vermutlich nie gegeben hatte. Jeffrey war sich einigermaßen sicher, in der Mischung aus Lügenmärchen einige Wahrheiten zu entdecken; das Wesentliche war ihm allerdings jetzt schon klar: Das Ganze hatte den Zweck, aus dem Leben des Jeffrey Mitchell zu schlüpfen und ein neues Leben zu beginnen – das Leben desselben Menschen, aber mit neuem Namen und neuer Identität, mit mehr als genug finanziellen Mitteln, um nach freiem Belieben einer alten, bösen Begierde zu frönen. Jeffrey erinnerte sich an die Worte des Geschichtsprofessors:
Er sagte, er hätte eine Erbschaft gemacht
… Eine Erbschaft der ganz besonderen Art.
    Jeffrey wusste nicht, wie viele Menschen von der Hand seines Vaters gestorben waren, doch die Ironie, dass jeder Mord, dener begangen hatte, vom Bundesstaat New Jersey gefördert worden war, entging ihm nicht.
    Bei diesem Gedanken musste der Sohn des Mörders laut lachen, so dass der pockennarbige Angestellte in seine Richtung schaute. »He!«, rief er, als Jeffrey aufstand und aus dem Archiv marschierte, ohne den Apparat auszuschalten. Er wollte noch einmal versuchen, den Anwalt zur Rede zu stellen, aber diesmal musste er sich mehr Nachdruck verschaffen.
     
    In der Straße, in der die Kanzlei lag, standen ein paar vernachlässigte Ulmen, in deren kahlen Zweigen sich die Dunkelheit fing. Eine gelbe Natriumdampflaterne surrte kurz, als sie durch eine Schaltuhr eingeschaltet wurde und in der Mitte des Häuserblocks diffuses Licht aussandte. Die Reihe der Brownstone-Häuser mit ihren Büros hüllte sich immer mehr in abendliches Dunkel, als die Angestellten in Trauben aus den Türen drängten. Mehr als einmal beobachtete Jeffrey, wie Wachleute mit Automatikwaffen vor der Brust ihre Schutzbefohlenen die Straße entlang eskortierten. Jeffrey musste an Hütehunde denken, die eine Schafherde vorantreiben.
    Er saß in seinem Leihwagen und hatte einen Finger an die Neun-Millimeter-Pistole gelegt. Er schätzte, dass der Anwalt nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Er hoffte, dass der arrogante Mann allein herauskommen würde, auch wenn er sich nicht ganz auf diese Möglichkeit verließ. H. Kenneth Smith, Esq., hätte es nicht so weit gebracht, hätte er zu Leichtsinn geneigt.
    Jeffrey empfand eine Mischung aus Angst und Erregung, wenn er daran dachte, dass der bevorstehende Schritt ihn seinem Vater ein gutes Stück näher bringen würde.
    Er hatte nicht lange gebraucht, um die abendlichen Gewohnheiten des Anwalts zu entdecken. Ein kurzer schneller Rundgangdurch das Viertel zwischen Capitol und Kanzlei hatte ihn zu dem einzigen Parkplatz geführt, auf dem vornehmlich neue und teure Luxusautos standen und ein großes Schild verkündete: NUR MONATSMIETEN. NICHT FÜR DEN TAGESVERKEHR. Es gab keinen Wächter, dafür aber einen drei bis vier Meter hohen Zaun mit Natodraht am oberen Rand. Der Zugang zu diesem Parkplatz erfolgte über eine einzige Fahrbahn durch ein Schiebetor, das von einer elektronischen Kamera gesteuert wurde. Außerdem gab es im Zaun eine schmale Eingangstür. Diese öffnete sich mit Hilfe eines Infrarotschlüssels.
    Jeffrey ging davon aus, dass der Anwalt sein Fahrzeug dort abstellte. Der Trick bestand nun darin, den Mann an einer Stelle abzufangen, an der er wehrlos war, und es kostete Jeffrey einige Mühe, diese Stelle ausfindig zu machen. Zu den Pflichten des stämmigen Wachmanns gehörte es zweifellos auch, darauf zu achten, dass sein Arbeitgeber jeweils sicher hinters Lenkrad kam. Jeffrey traute dem Mann zu, dass er nicht zögern würde, auf jeden zu schießen, der eine Bedrohung darstellte – besonders auf dem Weg zwischen Büro und Parkplatz. War er erst einmal im Innern des umzäunten Platzes, konnte er ihn nicht mehr fassen. Jeffrey machte die Pistole feuerbereit und kam zu dem Schluss, dass er den Anwalt auf der Straße abfangen musste, kurz bevor er den Parkplatz erreichte. An dieser Stelle würde er sich auf das konzentrieren, was vor ihm lag, und vielleicht nicht mitbekommen,

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