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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Wenn er alleine käme, so hoffte Jeffrey, würde sein Vater annehmen, er wollte seine Mutter und Schwester schützen, indem er sie in sicherer Entfernung zurückließ. Selbstlos und im Alleingang. EineKonfrontation des Sohnes mit dem Vater und der möglichen Gefahr, die er verkörperte.
    Er traute sich zu, ihm eine solche Lüge überzeugend auftischen zu können.
    Die Wahrheit war natürlich das Gegenteil. Mutter und Schwester waren der Schnappriegel an der Falle, er selbst lediglich die Wippe.
    Alle drei stiegen sie stumm aus dem Wagen und scharten sich um den Kofferraum. Sie trugen dunkle Kleidung, Jeans und Sweatshirts sowie bequeme Schuhe. Jeffrey öffnete den Kofferraum und zog aus der ersten Sporttasche drei kevlarverstärkte kugelsichere Westen, die sie sich schnell um den Oberkörper schnürten. Susan musste ihrer Mutter helfen, die darin ungeübt war.
    »Bringt das was?«, fragte Diana. »Auf jeden Fall ist es sauunbequem.«
    »Gegen konventionelle Waffen und Munition schützt sie, aber …«
    »Es gibt immer ein Aber«, entgegnete Diana knapp. »Und könnt ihr mir irgendetwas über euren Vater sagen, woraus zu schließen wäre, dass er auch nur im Mindesten konventionell sein wird?«
    Die Frage rang Jeffrey ein nervöses Lächeln ab. »Ich denke, es ist klug, sie in jedem Fall zu tragen. Nehmt all das Zeug hier als Agent Martins Abschiedsgeschenk. Es stammt aus seinem Spind im Büro.« Über den Galgenhumor mussten sie alle grinsen. Er griff nach der zweiten Tasche, machte den Reißverschluss auf und holte die Waffen heraus.
    Jeffrey half seiner Schwester, ihre Pistole im Schulterholster zu befestigen, dann überprüfte er seine eigene Waffe. Als Nächstes schwangen sich die Geschwister Maschinenpistolen über den Arm und zogen sich schwarze Strickmützen überden Kopf. Zuletzt holte Jeffrey zwei Nachtsichtgeräte aus der Tasche und hängte sich selbst und seiner Schwester je eines um den Hals. Schließlich kramte er von ganz unten zwei Brecheisen hervor, von denen er eins in den eigenen Gürtel steckte, das andere seiner Schwester reichte.
    Diana fühlte sich für einen Moment daran erinnert, wie die beiden als Kinder zusammen Räuber und Gendarm gespielt hatten, als wäre dies heute nur eine besonders finstere Variante.
    Doch gerade als dieser tröstliche Gedanke ihr das Herz erwärmte, drehte ihr Sohn sich plötzlich um, reichte ihr eine ähnliche Mütze und half ihr dabei, sich ein Pistolenhalfter um die Brust zu schnallen. Sie bekam den Revolver, den Susan aus Florida mitgebracht hatte.
    Jeffrey verweilte einen Moment, die Arme halb um seine Mutter gelegt. In diesem Augenblick erschien sie ihm klein und zerbrechlich, älter, als er es je für möglich gehalten hätte, von der Krankheit und allem, was passiert war, geschwächt. Es gab nicht viel Licht, doch in dem matten Schimmer sah er die Sorgenfalten auf ihrer Stirn.
    Diana hingegen empfand nichts von alledem.
    Sie atmete tief die kühle Luft ein und dachte, dass sie in diesen Minuten nirgendwo sonst sein wollte. Zum ersten Mal seit Wochen oder gar Monaten war sie in der Lage, innere Kraftreserven zu mobilisieren und ihre Krankheit mit schierer Willenskraft in einen verborgenen Winkel zu verdrängen, als schlüge sie die Tür hinter sich zu. Ihr gesamtes Leben als Erwachsene hatte sie in der Angst gelebt, der Mensch, der einmal ihr Ehemann gewesen war, könnte sie und ihre Kinder in die Enge treiben und vernichten. Es bereitete ihr eine gewaltige, stille Hoffnung und Befriedigung, dass jetzt sie es war, die ihm in dieser Nacht auflauerte, statt umgekehrt, und dasssie bewaffnet und somit möglicherweise zum ersten Mal in ihrem Leben gefährlicher war als er.
    Susan überprüfte den Abzug an der Maschinenpistole. Sie wandte sich an ihren Bruder. »Was ist mit der Frau und dem Sohn?«
    »Caril Ann Curtin ist eine Schlange. Zögere keinen Moment.«
    Diana schüttelte den Kopf. »Sie ist genauso wie wir ein Opfer. Sogar schlimmer. Wieso sollten wir …«
    Jeffrey fiel ihr ins Wort. »Vielleicht war sie das früher einmal. Vielleicht, wenn sie vor langer Zeit geflohen wäre, so wie du mit uns. Wenn sie spätestens dann weggelaufen wäre, als sie erkannte, weshalb er sie brauchte und wozu er sie unterrichtete und wobei sie ihn unterstützen sollte. Dann hätte sie sich vielleicht noch retten können. Die Frau, nach der sie benannt ist, Caril Ann Fugate, hat dem Staatspolizisten von Nebraska eine Warnung zugerufen, als er zufällig über sie und Starkweather

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