Das Rätsel
schließlich auch bist. Mit hübschen rhetorischen Schnörkeln, stelle ich fest. Dieser Ton macht sich zweifellos im Hörsaal gut. Ich frage mich, ob die Studenten an deinen Lippen hängen. Und die jungen Frauen – vielleicht beschleunigt sich ihr Puls, und sie werden feucht zwischen den Beinen, wenn du in den Übungsraum schlenderst? Ich wette ja.« Er lachte und griff nach der Hand seiner Frau, die auf seiner Schulter ruhte. Dann fuhr er in einem kälteren und berechnenderen Ton fort: »Du stellst hier Mutmaßungen über meine Wünsche an, die zutreffen mögen oder auch nicht. Vielleicht hege ich weder gegen Diana noch gegen Susan böse Absichten.«
»Ach ja?«, fragte Jeffrey und zog eine Braue hoch. »Ich denke doch.«
»Nun denn, das wird sich zeigen, nicht wahr?«, antwortete sein Vater.
»Du wirst sie nicht noch einmal finden«, entgegnete Jeffrey trotzig und legte alle Überzeugungskraft in seine Lüge.
Sein Vater schüttelte langsam den Kopf. »Selbstverständlich werde ich das, wenn ich will. Ich habe jede andere Entscheidung, die du getroffen hast, vorausgesehen, Jeffrey, jeden einzelnen Schritt. Ich war mir lediglich nicht sicher, ob du heute Abend allein hier hereinpoltern und jeden nur denkbarenAlarm auslösen würdest oder ihr drei zusammen. Das Problem war, dass ich letztlich nicht sagen konnte, wie feige du tatsächlich bist.«
»Ich bin gekommen, richtig?«
»Du hattest keine Wahl. Nein, lass es mich anders sagen:
Ich habe dir keine Wahl gelassen
…«
»Ich hätte dir ein SWAT-Team auf den Hals schicken können.«
»Und dir diese Konfrontation entgehen lassen? Nein, ich glaube nicht. Das war nie wirklich eine Option, weder für dich noch für deine Mutter, noch für deine Schwester.«
»Sie sind in Sicherheit. Susan kümmert sich um Mutter. Die nimmt es sowieso jederzeit mit dir auf. Und außerdem findest du sie nicht. Diesmal nicht. Nie wieder. Ich habe sie an einen vollkommen sicheren Ort geschickt …«
Peter Curtin brach in ein wieherndes, kaltes Lachen aus. »Und wo bitte schön soll das sein? Das hier ist angeblich der letzte sichere Ort. Und ich habe allen gezeigt, was für eine kolossale Lüge sie da verbreiten.«
»Du wirst sie nicht finden. Sie sind gänzlich außer deiner Reichweite. So viel habe ich von dir gelernt.«
»Ich würde meinen, ich hätte dir in den letzten Wochen gezeigt, dass nichts außerhalb meiner Reichweite liegt.«
Wieder lächelte Peter Curtin. Jeffrey holte tief Luft und beschloss, zu einem schnellen, wirkungsvollen Gegenstoß auszuholen.
»Du hast eine zu hohe Meinung von dir …« Er hatte schon das Wort
Vater
auf den Lippen, schluckte es aber herunter. Er beeilte sich, die plötzliche Stille zu füllen, und fügte hinzu: »Das ist bei Mördern wie dir durchaus kein seltenes Phänomen. Ihr wiegt euch in dem illusorischen Glauben, etwas Besonderes zu sein. Einmalig. Außergewöhnlich. In Wahrheitist natürlich das genaue Gegenteil der Fall. Ihr seid einer von vielen. Jeder ein Routinefall.«
Peter Curtins Gesicht verdunkelte sich für einen Moment, er kniff die Augen zusammen, als starrte er plötzlich an Jeffreys Worten vorbei direkt in seine Gedankengänge. Doch ebenso, wie der Ausdruck gekommen war, wich er wieder dem Grinsen und einem amüsierten Ton. »Du reizt mich. Du willst mich wütend machen, bevor ich dazu bereit bin. Ist das nicht typisch Kind? Die Schwächen der Eltern aufdecken und sich zunutze machen. Aber ich vergesse meine gute Erziehung. Bis jetzt hast du deine Stiefmutter erst in ihrer Effizienz kennengelernt. Caril Ann, Liebes, das ist Jeffrey, von dem ich dir so viel erzählt habe …«
Die Frau rührte sich nicht und bequemte sich auch zu keinem Lächeln. Sie starrte Jeffrey Clayton nur weiter mit unverhohlener Wut an.
»Und mein Halbbruder?«, fragte Jeffrey. »Wo mag der wohl stecken?«
»Ach, ich denke, das wirst du früher oder später erfahren.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Er ist nicht hier. Er ist fort … hm, zum Studium.«
Die beiden Männer verfielen für einen Moment in Schweigen und starrten einander an. Jeffrey wurde heiß im Gesicht, als wäre es auf einmal im Raum sehr warm geworden. Der Mann, der ihm gegenübersaß, war ebenso fremd wie engstens vertraut, er wusste über ihn alles und nichts. Als jemand, der Mörder studiert und gejagt hatte, als Professor Tod, wusste er eine Menge. Als sein Sohn kannte er nur seine eigenen rätselhaften Gefühle. Er fühlte sich seltsam schwindelig und fragte sich,
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