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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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gefährlicher Moment hinter dem Lenkrad wieder vor Augen steht, eine vereiste Autobahn, auf der man ins Schleudern geriet und nur mit knapper Not überlebte.
    »Nein, nicht unbedingt. Aber zumindest
bereit
, dich zu töten«, antwortete er bedächtig.
    Sein Vater lächelte. »Willst du damit sagen, selbst wenn dein ziemlich stümperhaftes Eindringen ins Haus von uns nicht bemerkt worden wäre, hättest du mich nicht automatisch erschossen?«
    »Ich war noch zu keinem Schluss gekommen.« Jeffrey schwieg, dann fügte er hinzu: »Bin ich immer noch nicht.«
    Der Mann, der jetzt als Peter Curtin und früher als Jeffrey Mitchell bekannt war und zwischendurch vermutlich unter anderem Namen gelebt hatte, schüttelte den Kopf und warf seiner Frau einen Blick zu, die ihn nicht erwiderte, sondern den abendlichen Eindringling mit dem ungezügelten Hass eines Gespenstes anstarrte.
    »Nein, tatsächlich? Du hast ernsthaft geglaubt, dass diese Nacht vorübergehen könnte, ohne dass einer von uns stirbt? Das kann ich kaum glauben.«
    Jeffrey zuckte die Achseln. »Glaub, was du willst«, entgegnete er brüsk.
    »Da hast du nun wieder recht«, stimmte Peter Curtin zu. »Ich habe immer geglaubt, was ich wollte. Und auch getan, was ich wollte.« Er sah seinem Sohn mit einem stahlharten Blick in die Augen. »Ich bin vielleicht der letzte wirklich freie Mann. Mit Sicherheit der letzte freie Mann, dem du begegnen wirst.«
    »Kommt ganz darauf an, wie man Freiheit definiert«, gab Jeffrey zu bedenken.
    »Meinst du wirklich? Dann sag mir eins, Jeffrey. Du hast unsere Welt hier gesehen. Verlieren wir nicht jede Minute und jeden Tag Stück für Stück unsere Freiheit? Und zwar, indem wir hinter Mauern und Sicherheitsvorkehrungen leben müssen, um unsere letzten Freiheiten zu verteidigen, oder aber indem wir hierher, in diesen neuen Staat ziehen, der seine Mauern in Form von Vorschriften und Gesetzen errichtet. Die mir alle nichts anhaben können. Nein, diese Freiheiten sind Illusionen. Meine sind real.«
    Er sagte das mit einer Kälte, die den Raum ausfüllte. Jeffrey dachte, er sollte eigentlich etwas antworten, etwas dagegenhalten,doch er blieb stumm. Er wartete, bis das leicht schiefe, höhnische Grinsen um die Mundwinkel seines Vaters verschwunden war und sein Ausdruck neutral zu sein schien.
    »Wir vermissen deine Mutter und deine Schwester«, sagte Peter Curtin nach einer Weile. Jeffrey bemerkte einen leichten Singsang in seinem Tonfall, eine Mischung aus Sarkasmus und spöttelnder Selbstgefälligkeit. »Ich hatte mich auf euch gefreut. Dann wären wir alle wieder beisammen.«
    »Du hast doch nicht wirklich erwartet, dass ich sie mitkommen lasse?«, erwiderte Jeffrey prompt.
    »Ich war mir nicht sicher.«
    »Sie ohne Not der Gefahr aussetzen? So dass du uns alle hintereinander mit drei Kugeln töten kannst? Meinst du nicht, ich hätte es für klüger gehalten, dafür zu sorgen, dass du dir jeden Tod von uns ein bisschen schwerer erkaufen musst?«
    Peter bückte sich nach Jeffreys großer Neun-Millimeter-Pistole und zog sie langsam aus dem Holster. Er betrachtete die Waffe eine Weile, als fände er daran etwas seltsam, dann schob er wie beiläufig eine Ladung ein, entsicherte und zielte direkt auf Jeffreys Brust.
    »Erschieß ihn jetzt«, zischte Caril Ann Curtin. Zur Ermunterung drückte sie die Schulter ihres Mannes so fest, dass ihre Knöchel weiß von seinem Pullover abstachen. »Töte ihn jetzt.«
    »Du hast dir keine besondere Mühe gegeben, mir deinen eigenen Tod ein bisschen schwerer zu machen, oder?«, fragte sein Vater.
    Jeffrey starrte in den Lauf der Pistole. In ihm tobten zwei gegensätzliche Gedanken.
Er wird es nicht tun. Noch nicht. Er hat von mir noch nicht bekommen, was er haben will
. Und dann ebenso heftig:
Doch, das hat er. Hier werde ich sterben
. Er holte tief Luft und antwortete so teilnahmslos, wie es ihm mit ausgedörrter Kehle und trockenen Lippen gelang: »Meinstdu nicht, wenn ich mein Eindringen in dieses Haus so lange und sorgsam geplant hätte wie du deine Morde, dass dann ich jetzt die Waffe in der Hand halten würde und nicht du?« Er sprach mit Bedacht und gab sich alle Mühe, dass seine Stimme nicht zitterte.
    Peter Curtin ließ die Waffe sinken. Seine Frau gab ein leises Stöhnen von sich, rührte sich jedoch nicht vom Fleck.
    Als Peter Curtin lächelte, zeigte er glänzende, vollkommen weiße, ebenmäßige Zähne. Er zuckte die Achseln. »Du stellst die typischen Fragen eines Akademikers, der du

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