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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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ihn vor gar nichts, am wenigsten vor der Polizei. Es ist einfach nur ein Frühwarnsystem, das ihm ein paar Minuten Vorsprung gewährt. Wozu mag er das wohl brauchen?«
    Die Antwort auf diese Frage lag auf der Hand. Susan antwortete leise, als ihr alles klar wurde: »Zu einem einzigen Zweck: Weil er, falls jemand kommt und ihn sucht – jemand, der weiß, wer er ist, und was er macht –, etwas Zeit braucht, um abzuhauen. Sich aus dem Staub zu machen.«
    Diana nickte. »So sehe ich das auch.«
    »Ein Fluchtweg«, dachte Susan weiter laut nach. »David Hart, der Mann in Texas, zu dem mich Jeffrey mitgenommen hat – der hat gesagt, wir sollten mit so was rechnen. Einen Weg rein, einen Weg raus.«
    Diana rollte sich auf die Seite und spähte in das Dunkel hinter sich. »Was genau soll da laut diesem Bauunternehmer in dieser Richtung sein?«
    Susan lächelte. »Es ist wild, leer, unbebaut, Ödland und Berge. Naturschutzgebiet in staatlichem Besitz. Erstreckt sich meilenweit …«
    Diana starrte in die schwarze Nacht, die sich ihnen an die Fersen geheftet und mit ihnen angepirscht hatte. »Vielleicht ist es auch«, sagte sie ruhig, »die Rückzugsroute aus dem Einundfünfzigsten Staat.«
    Beide Frauen machten sich auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung: vom Rand des Lichtkegels weg, in schräger Linie zum Haus. Sie tasteten sich durch die Bäume, wo das Unterholz dichter schien, als wären es lauter knochige Hände, die nach ihren Kleidern griffen oder ihnen das Gesicht zerkratzten. Trotz der kühlen Nacht waren sie vor Erschöpfung und Anspannung und vermutlich auch Angst verschwitzt.
    Susan hatte das Gefühl, als versuchte sie, in einer Kloake zu schwimmen. Sie kämpfte sich entschlossen und wütend durch den Wald, als ob sie gegen einen Feind anging. Das Licht vom Haus war diffus und wenig hilfreich; die Schatten und schwarzen Vertiefungen machten es ihnen nicht leichter. Susan fluchte leise, machte einen Schritt, merkte, dass sich ihr Sweater in einem Dornenbusch verhakte, zog daran und verlor das Gleichgewicht, so dass sie mit einem kurzen Aufschrei vorwärtspurzelte.
    Ihre Mutter, die hinter ihr nicht weniger zu kämpfen hatte, rief ihr etwas lauter, doch immer noch im Flüsterton zu: »Susan, alles in Ordnung?«
    Susan reagierte nicht sofort. Ihr gingen verschiedene Dinge durch den Kopf – der Schreck des Falls, ein tiefer Kratzer in der Wange von einer Dorne, ein Schlag gegen das Knie von einem Stein, vor allem aber das Gefühl von kaltem Metall unter ihrer Hand. Die Dunkelheit machte es fast unmöglich, etwas zu erkennen, doch sie tastete sich voran und ignorierte alle anderen Empfindungen, als sie etwas Spitzes fühlte, das ihr in die Handfläche schnitt. Sie stöhnte unter dem plötzlichen Schmerz.
    »Was ist?«, fragte Diana.
    Susan antwortete nicht gleich. Stattdessen tastete sie die Spitze ab und fand eine zweite, dann eine dritte, alle unter Gestrüpp und Unkraut versteckt.
    »Hol mich der Teufel«, murmelte sie. »Mutter, sieh dir das an.«
    Diana krabbelte auf Händen und Knien, bis sie neben Susan war. Sie ließ ihre Hand von Susan führen, bis auch sie die Reihe spitzer Pflöcke im Boden fühlte.
    »Was meinst du …«
    »Wir sind auf der richtigen Spur«, sagte Susan. »Jetzt stell dir vor, du würdest in diese Richtung fliehen, aber du willst nicht, dass dir irgendjemand in irgendeinem Wagen folgen kann. Die hier würden an einem Reifenpaar schon dafür sorgen, oder? Pass auf, hier könnten noch mehr Fallen sein.«
    Drei Meter weiter stieß Susan auf einen niedrigen, Achsen brechenden Graben in der Erde. Sie drehte sich wieder zum Haus um. Vielleicht dreißig Meter entfernt warf es sein Licht in den Himmel. Sie konnte gerade noch eine Art schmalen Trampelpfad erkennen.
    Es ist ein Weg, dachte sie. Aber einer, der mit genügend Büschen und Gestrüpp getarnt war, um sich hoffnungslos zu verheddern, es sei denn, man kannte diesen Pfad genau. Hatte man jedoch die richtige Route genau im Kopf, dann konnte man sich schnell durch zunehmend schwieriges Gelände bewegen.
    »Da ist es«, sagte ihre Mutter plötzlich.
    Susan drehte sich um und ließ ihren Augen Zeit, sich wieder an die Nacht zu gewöhnen, bevor sie sah, wohin Diana zeigte. Weitere sieben Meter von ihnen entfernt befand sich ein kleines Gebäude fast unsichtbar zwischen Unkraut und Farn, die so dicht daran gepflanzt worden waren, dass sie den niedrigen Bau fast bis ans Dach überwucherten. Sie tasteten sich langsam bis zu dem Häuschen

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