Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
sarkastisch. »Aber natürlich tust du das, Professor. Man spielt es im Rettungsboot oder am Steilhang, wenn der Hubschrauber der Bergwacht eintrifft. Es wird im Fuchsbau und in brennenden Gebäuden gespielt. Es geht darum, wer lebt und wer stirbt. Es geht darum, eine Wahl zu treffen, auch wenn man weiß, wie katastrophal die Wahl für jemand anderen ist.«
    Er wartete, als rechnete er mit einer Reaktion, und fuhr, als sie ausblieb, fort: »In dieser Nacht geht es um Folgendes: Du tötest sie, und du gewinnst. Sie stirbt, und du gewinnst deineigenes Leben, das deiner Schwester, das deiner Mutter und dazu meins, denn es steht dir dann frei, es mir zu nehmen. Oder mich, wenn dir das lieber ist, der Polizei zu übergeben. Du könntest mir auch einfach das Versprechen abverlangen, nie wieder zu töten, und ich würde mich daran halten. Dann könntest du mich am Leben lassen und müsstest dir nicht die Hände mit dem ödipalsten Blut schmutzig machen, das man sich vorstellen kann. Die Wahl liegt bei dir. Du entscheidest. Ich werde mich danach richten. Und um zu gewinnen, brauchst du nichts weiter zu tun, als sie zu töten …«
    Es war plötzlich keine Luft zum Atmen mehr im Raum.
    »Bring sie für mich um, Jeffrey.«
    Der ältere Mann verstummte und beobachtete die Wirkung, die seine Worte im Gesicht seines Sohnes hinterließen. Er hielt das Babyphone hoch, drückte auf den Empfangsknopf und ließ ein paar Sekunden lang das qualvolle Schluchzen einer in Panik versetzten jungen Frau im Zimmer widerhallen.
     
    Die Entfernung zwischen dem Waldrand und der Rückseite des Hauses war nicht so groß wie auf der Eingangsseite, aber dennoch war ein gewaltiger Lichtkegel zu durchqueren. Susan Clayton betrachtete die Fläche skeptisch; sie hatte etwa die Länge, auf die sie mit einiger Treffsicherheit ihren Köder einem gemächlich dahinschwimmenden Fisch hinwerfen konnte. Fast hörte sie das zischende Geräusch der Angelschnur über ihrem Kopf, bevor sie über die unruhige blaue Wasserfläche ihrer Heimat sauste. Sie war, das wusste sie, gut darin, genau abzuwägen, wie viel Einsatz es erforderte, den Köder mit seiner kleinen Illusion aus Federn, Stahl und Leim genau da zu plazieren, wo sie ihn haben wollte. Jetzt, wo es darum ging, abzuschätzen, wie schnell sie die offene Fläche überqueren konnte, war sie sich weniger sicher.
    Auch Diana Clayton versuchte, ihre Situation richtig einzuordnen.
    Sie leuchtete ihr nicht gänzlich ein. Sie atmete langsam ein und wieder aus und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Sie und ihre Tochter lagen beide bäuchlings auf der feuchten Erde und starrten geradeaus, doch mit ihrer Aufmerksamkeit war Diana woanders. Sie versuchte, sich jede Einzelheit eines Lebens vor einem Vierteljahrhundert ins Gedächtnis zu rufen, vor allem aber, jeden Gesichtszug des Mannes, an dessen Seite sie gelebt hatte.
    »Ich komm da rüber«, flüsterte Susan, »aber nur, wenn keiner hinsieht.«
    Dann schüttelte sie den Kopf. »Falls es doch jemand tut, komme ich keine zwei Meter weit, bevor sie mich entdecken.« Sie überlegte. »Ich denke, mir bleibt nichts anderes übrig.«
    Diana griff mit der Hand nach dem Unterarm ihrer Tochter. »Irgendetwas stimmt da nicht, Susie. Du musst mir auf die Sprünge helfen.«
    »Was?«
    »Also, erstens wissen wir, dass es hier an der Rückseite zwei Türen gibt. Die übliche Gartentür, die wir sehen und die in die Küche führt. Die ist wie jede andere Gartentür. Sieht zumindest so aus. Und dann gibt es diese Geheimtür aus dem Musikzimmer nach draußen. Die müssen wir finden. Die müsste da drüben sein, da links, neben der Garage.«
    »In Ordnung«, meinte Susan, »dann gehen wir einfach mal davon aus.«
    »Nein, da ist noch etwas, das mir zu schaffen macht. Wir hätten eigentlich auf das Nebengebäude stoßen müssen. Du weißt schon, der Schuppen, der laut dem Bauunternehmer nicht in den Plänen ist. Der müsste irgendwo hier hinten sein. Ich denke, wir sollten ihn finden.«
    »Aber wieso? Jeffrey ist im Haus, demnach ist er …«
    »Ich meine nur«, unterbrach Diana sie bedächtig, »wozu hat man eigentlich eine Alarmanlage? Wieso stellt man sicher, dass man jemanden, der sich durch den Wald anschleicht, auf Schritt und Tritt beobachten kann? Wieso installiert man ein kostspieliges System, das in diesem Staat illegal ist?« Sie schüttelte den Kopf. »Mir fällt dazu nur ein einziger Grund ein. Um Zeit zu gewinnen. Um vorgewarnt zu sein. Für sich genommen beschützt es

Weitere Kostenlose Bücher