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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Frau versuchte, Susans Knie zu fassen, doch die Kette hinderte sie daran, sich mehr als vielleicht fünfzig Zentimeter in jede Richtung zu bewegen. Ihre Beine waren mit getrocknetem Blut und Kot verschmiert. Sie roch nach Durchfall und Angst.
    »Retten Sie mich, bitte, retten Sie mich«, wiederholte das Mädchen in Panik.
    Susan blieb außerhalb der Reichweite ihrer Hände. Manchmal, wurde ihr bewusst, musste man dem Ertrinkenden die Hand reichen. Ein anderes Mal ging man besser auf Distanz, damit er einen nicht mit in die Tiefe zog.
    »Bist du verletzt?«, fragte sie in scharfem Ton.
    Der Teenager schluchzte und schüttelte den Kopf.
    »Ich werde versuchen, dich zu retten«, versprach Susan und staunte selbst über ihren kalten Ton. »Gibt es hier drinnen Licht?«
    »Ja, das heißt, nein. Der Schalter ist draußen in dem anderen Zimmer«, erwiderte das Mädchen und deutete mit dem Kopf auf eine Tür an der gegenüberliegenden Wand.
    Susan nickte und ließ den Blick durch den Raum schweifen. An einer Wand lehnte etwas, das wie eine Rolle Plastikfolie aussah. Die Decke war reichlich mit Schalldämmung versehen. Drei Meter von der Stelle entfernt, an der Kimberly angekettet lag, sah Susan einen Holzstuhl sowie einen blitzenden Notenständer aus Stahlrohr mit mehreren aufgeschlagenen Heften darauf.
    Susan ging langsam durch das Zimmer. Behutsam legte sie dieHand an die Tür, die zum Hauptteil des Hauses führte. Der Griff ließ sich nicht drehen. Die Tür war abgeschlossen. Sie sah einen einzigen Schließriegel, doch es gab keinen Schlüssel, um ihn von innen zu öffnen.
    Der Schlüssel steckt von außen, dachte sie. Niemand soll diesen Raum verlassen können. In diesem Moment war sie unsicher, weshalb ihr Vater die Geheimtür nach draußen offen gelassen hatte. Plötzlich kroch ihr ein Verdacht eiskalt den Rücken hoch: Er hatte ihr Eindringen von dieser Seite geplant.
    In einem Anflug von Panik schnappte sie nach Luft.
    Er weiß, dass ich hier bin. Er hat mich über den Rasen laufen sehen. Und jetzt sitze ich genau da, wo er mich haben will, in der Falle.
    Sie fuhr hastig herum und blickte sehnsüchtig zum Ausgang, während ihr eine innere Stimme zuflüsterte, sie sollte schnellstens die Flucht ergreifen, ehe es zu spät sei.
    Sie kämpfte gegen ihre Emotionen an. Sie schüttelte innerlich den Kopf und schärfte sich ein:
Nein. Es ist alles in Ordnung. Du bist gerannt, und niemand hat dich gesehen. Vorerst ist es sicher
.
    Susan blickte zu Kimberly hinüber und erkannte, dass an Flucht nicht zu denken war. Ihr kam der Gedanke, ob das vielleicht das letzte Spiel war, das ihr Vater sich für sie ausgedacht hatte: ein einfaches, tödliches Spiel mit einer einfachen tödlichen Wahl. Rette dich selbst und überlasse sie ihrem Tod. Oder bleib und stelle dich dem, was durch die verschlossene Tür dort kommt.
    Susan merkte, wie ihre Unterlippe unter der Wucht ihrer Zweifel zu zittern begann.
    Noch einmal sah sie das Mädchen an. Der Blick, den ihre weit aufgerissenen Augen in sie bohrten, war zum Erbarmen.»Keine Angst«, versuchte Susan, sie zu beruhigen, und staunte selbst über die Zuversicht in ihrem Ton, die sie für ziemlich unangebracht hielt. »Wir schaffen das schon.« Noch während sie sprach, sah sie etwas kleines Schwarzes etwa ein, zwei Meter von den Beinen des Mädchens entfernt, so dass sie es nicht erreichen konnte, am Boden liegen.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    Die junge Frau drehte sich, durch die Handschellen behindert, mühsam um und sah in die Richtung. »Ein Babyphone«, flüsterte sie. »Er hört mich gerne.«
    Susan riss vor Angst die Augen auf. »Sag nichts!«, flüsterte sie hastig. »Er darf nicht wissen, dass ich hier bin!«
    Das Mädchen wollte gerade etwas antworten, doch Susan sprang mit einem Satz zu ihr hinüber und hielt ihr die Hand auf den Mund. Als sie sich zu der Gefesselten hinunterbeugte, wurde ihr von dem Geruch fast übel, und sie wisperte Kimberly ins Ohr: »Das Einzige, was ich habe, ist das Überraschungsmoment!«
    Hoffe ich jedenfalls, fügte sie in Gedanken hinzu.
    Sie nahm die Hand erst weg, als Kimberly nickte, um zu zeigen, dass sie begriffen hatte. Susan beugte sich vor und flüsterte ihr zu: »Wie viele sind oben?«
    Kimberly hielt zwei Finger hoch.
    Susan dachte: zwei plus Jeffrey.
    Sie hoffte, dass er noch am Leben war. Sie hoffte, dass ihr Vater nicht über das Babyphone gehört hatte, wie sie zur Tür hereinkam. Sie hoffte, dass er ihrem Bruder seine Trophäe zeigen

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