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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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fühlten sich bleischwer an, und jedes Mal, wenn ihre Sohlen mit einem leisen Geräusch auf dem feuchten Rasen wegrutschten, klang es ihr wie ein Alarmsignal in den Ohren. Sie bildete sich ein, Sirenen aufheulen zu hören. Ein Dutzend Mal hörte sie das Knallen von Schüssen, und ein Dutzend Mal rechnete sie jeden Moment damit, von Kugeln getroffen zu werden. Sie rannte auf des Messers Schneide zwischen Realität und Halluzination. Wie ein Schwimmer, der keine Luft mehr bekommt, verzweifelt ans rettende Ufer will, strebte sie mit letzter Kraft zu der Wand am Ende ihres rasanten Laufs.
    Und so schnell, wie sie losgelaufen war, hatte sie plötzlich ihr Ziel erreicht.
    Susan warf sich an eine Stelle, die ein wenig im Schatten lag, und kauerte sich an die Holzverkleidung. Nachdem sie beiihrem Sprint so auffällig, groß und laut gewesen war, versuchte sie jetzt, sich ganz klein zu machen. Ihre Brust hob und senkte sich heftig von der Anstrengung, ihr Gesicht war heiß, und sie schnappte gierig nach der Nacht, um sich zu beruhigen.
    Sie wartete einen Moment, bis das Trommeln des Adrenalins in ihren Ohren nachließ, und als sie sich halbwegs wieder unter Kontrolle hatte, drehte sie sich um und tastete kniend die Wand nach der Tür ab, von der sie wusste, dass sie dort sein musste.
    Susan fühlte die rauhe Oberfläche des Holzes unter den Fingern, staunte, wie kalt es war, und stieß auf einen winzigen Wulst, den die Schindeln perfekt kaschierten. Sie suchte weiter und entdeckte zwei Metallscharniere unter dem Holz. Hoffnungsvoll tastete sie jede Platte einzeln ab, um eine zu finden, die sich anheben ließ, um darunter einen Griff oder Knauf zu ergreifen. Sie hatte sich noch keine Gedanken darüber gemacht, was sie tun würde, falls die Tür abgeschlossen war; das kleine Brecheisen steckte immer noch in ihrem Gürtel, doch was es ihr bringen würde, war fraglich.
    Sie überprüfte jede Schindel, fand jedoch keinen Knauf oder Knopf. »Verdammt noch mal«, zischte sie. »Ich weiß, dass es dich hier irgendwo gibt.«
    Vergeblich zog sie weiter an jedem Paneel.
    »Bitte«, flehte sie. Sie bückte sich weiter nach unten und strich mit den Händen über die Kante der Holzverkleidung, wo sie auf den Betonsockel traf. Dort, unter dem Rand des Holzes, ertastete sie etwas Metallenes, ähnlich einem Pistolenabzug. Sie befingerte es eine Weile, schloss dann die Augen, als rechnete sie damit, das Ding könne jeden Moment eine Bombe zünden, wenn sie daran zog, wusste andererseits jedoch, dass ihr keine Wahl blieb.
    »Sesam öffne dich«, flüsterte sie.
    Der Riegelmechanismus machte ein leichtes ratschendes Geräusch, und die Tür sprang auf.
    Sie verharrte wieder, eben lang genug, um noch einmal in Ruhe und in Freiheit Luft zu holen, vielleicht zum letzten Mal in ihrem Leben. Dann schob sie die Tür behutsam auf. Sie bewegte sich mit einem unangenehmen Schaben, als ob Holz absplitterte. Als sie einen vielleicht zwanzig Zentimeter breiten Spalt geöffnet hatte, spähte sie um die Ecke ins Haus. Vor ihr war es schwarz. Das einzige Licht, das es gab, drang mit ihr von draußen ein. Sie trat auf einen kleinen Treppenabsatz, dann führten wenige Stufen zu einem spiegelglatten Boden hinunter, der wie Plastik schimmerte – ein leicht zu reinigendes Material. Die Wände des Raums waren kahl und weiß.
    Susan öffnete die Tür noch ein Stück, so dass sie hineinschlüpfen konnte, und das zusätzliche Licht reichte bis in die hintersten Winkel des Raums. Sie hörte die Stimme nur eine Sekunde, bevor sie die Gestalt sah, die an der Wand kauerte.
    »Bitte«, hörte Susan. »Töten Sie mich nicht.«
    »Kimberly?«, fragte Susan. »Kimberly Lewis?«
    Das abgewandte Gesicht drehte sich augenblicklich zu ihr um und sah sie hoffnungsvoll an. »Ja, ja, helfen Sie mir, bitte, helfen Sie mir!«
    Susan sah, dass die junge Frau mit Hand- und Fußschellen gefesselt war, die mit einer Stahlkette an einem Ring in der Wand befestigt waren. Es gab zwei weitere, noch nicht benutzte Ringe in Schulterhöhe, in einigem Abstand voneinander. Kimberly war nackt. So wie sich ein Hund aus Angst vor Schlägen an den Boden duckte, kauerte sie da; ihre Rippen traten hervor, als wäre sie ausgezehrt.
    Susan kam vollends herein, so dass sie einen Moment dasschwache Licht blockierte, dann stieg sie die Stufen hinunter und schlich zu dem Mädchen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie und merkte im selben Moment, wie dumm die Frage war. »Ich meine, bist du verletzt?«
    Die junge

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