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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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intelligenter gehalten. Für gebildeter.« Er legte vor sich die Fingerspitzen zu einer Pyramide aneinander und starrte seinen Sohn durchdringend an. »Was weißt du von mir?«, fragte er plötzlich.
    »Ich weiß, du bist ein Mörder …«
    »Du weißt rein gar nichts«, unterbrach ihn Curtin. »Du weißt nichts! Du weißt nicht, wie man sich in der Gegenwart von Größe benimmt! Du zeigst keinen Respekt. Du verstehst nichts.«
    Sein Vater schüttelte den Kopf. »Es hat nichts damit zu tun, einfach zu töten. Nichts ist so leicht, wie zu töten. Aus sexueller Gier, aus Spaß oder aus irgendeinem anderen Grund.Nichts leichter als das, Jeffrey. Es ist nichts weiter als eine Zerstreuung. Wenn man sich die Mühe macht, es gründlich zu studieren, dann ist es wirklich keine besonders schwere Aufgabe. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, dem Tod eine schöpferische Seite abzugewinnen …« Er überlegte, dann fügte er hinzu: »… und deshalb bin ich etwas Besonderes.«
    Einen Augenblick lang starrte der Vater den Sohn mit einem Ausdruck an, als seien dies Dinge, die dieser hätte verstehen müssen.
    »Ich war ziemlich aktiv, doch das gilt auch für andere. Ich war brutal, aber auch das ist nichts Weltbewegendes. Hättest du gedacht, Jeffrey, dass ich vor ein paar Jahren, als ich über der Leiche einer jungen Frau stand, an einen Punkt kam, an dem ich begriff, dass ich in dem Moment hätte weggehen können, und niemand hätte auch nur die leiseste Ahnung von der Tiefe des Gefühls gehabt, von der Befriedigung über das, was ich vollbrachte? Und in diesem Augenblick, Jeffrey, da wusste ich, dass ich es mir zu leicht gemacht hatte. Ich lief Gefahr, dass mich künftig das langweilen könnte, was meinem Leben Sinn gab. In jenem Moment dachte ich an Selbstmord. Mir gingen auch andere obskure Möglichkeiten durch den Kopf, Terrorismus, Massenmord, politische Attentate, doch das habe ich alles verworfen, weil ich wusste, dass ich mit all dem in Vergessenheit geraten würde. Und dass mich niemand je verstehen würde. Aber ich strebte nach Höherem, Jeffrey. Ich wollte, dass man mich in Erinnerung behält …«
    Er lächelte wieder. »Und dann erfuhr ich vom Einundfünfzigsten Staat. Dem neuen Territorium, an das sich so viele Hoffnungen und Wünsche knüpfen – der Traum von einer wahrhaft amerikanischen Vision von der Zukunft, auf der Grundlage einer ach so idealisierten Vorstellung von der Vergangenheit.Und wer hätte besser in dieses Konzept gepasst als ich?«
    Jeffrey sagte nichts.
    »An wen erinnert man sich, Jeffrey? Besonders da draußen, im Westen? Wer sind die Helden? Wer ist uns im Gedächtnis haften geblieben, Billy the Kid mit seinen einundzwanzig Opfern oder sein schändlicher ehemaliger Freund Pat Garrett, der ihn niedergeschossen hat? Wir singen Balladen auf Jesse James, einen äußerst blutrünstigen Mörder, aber nicht über Robert Ford, den Feigling, der ihm eine Kugel in den Rücken gejagt hat. So war es in Amerika schon immer. Melvin Purvis interessiert uns herzlich wenig. Er scheint langweilig und berechnend. Doch die Heldentaten eines John Dillinger leben fort. Beschämt es uns nicht irgendwie, dass eine Drohne wie Eliot Ness Al Capone aus dem Verkehr gezogen hat? Mit einer Anklage wegen Steuerbetrugs und Bestechung des Gerichts? Wie erbärmlich! Weißt du, wer Charlie Manson angeklagt hat? Seien wir doch ehrlich, Jeffrey: Fasziniert es uns nicht viel mehr zu beweisen, dass Bruno Richard Hauptmann es nicht gewesen sein kann, als dass wir Mitleid mit Lindberghs Baby hätten? Hast du gewusst, dass man in Fall River bis heute Lizzie Borden feiert – eine Axtmörderin, verflucht noch mal? Ich könnte dir endlos viele Beispiele nennen. Ich sage dir, wir sind eine Nation, die ihre Kriminellen liebt. Ihre schlechten Taten romantisiert und den Schrecken, den sie verbreitet haben, ignoriert. Stattdessen lassen wir sie in unseren Liedern und Legenden weiterleben, und sogar gelegentlich in Festen wie zum Beispiel mit dem D.-B.-Cooper-Day oben im Nordwesten am Pazifik.«
    »Wer sich über das Gesetz hinwegsetzt, hat schon immer eine gewisse Anziehungskraft besessen …«
    »Genau. Und das bin ich mein Leben lang gewesen. Jemand,der sich über das Gesetz hinwegsetzt. Denn ich beraube diesen Staat seiner zentralen Eigenschaft: seiner Sicherheit. Und deshalb wird man sich an mich erinnern.«
    Peter Curtin seufzte. »Das ist mir bereits jetzt gelungen. Egal, was heute Nacht aus mir wird. Siehst du, ganz gleich,

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