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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Einundfünfzigsten Bundesstaat angeschaut. Er wurde in den rosigsten Farben als ein sicherer Hort voller Wärme beschrieben, in dem noch die alten Wertegalten. Vor fünf, sechs Jahre hatte man begonnen, das Gelände als gesondertes Gebiet zu kennzeichnen, das Westliche Territorium – ganz ähnlich wie bei Alaska und Hawaii ein halbes Jahrhundert früher der erste Schritt zur Bildung eines neuen Bundesstaates. Neu und ganz anders.
    Es hatte ihn überrascht, dass so viele der angrenzenden Staaten Land abtraten – allerdings waren Geld und ähnliche Anreize überzeugende Argumente, und Grenzen waren nun einmal flexibel.
    Und so hatte sich die Landkarte der Vereinigten Staaten verändert.
    An manchen Straßen priesen Reklametafeln das Leben in dem neuen Gebilde. Natürlich auch Websites im Internet mit etwas mehr Informationen. Per Computer konnte man schon einmal virtuell durch das Gemeinwesen reisen, einschließlich dreidimensionaler Fahrten durch Stadt und Natur.
    Selbstverständlich hatte das Projekt seinen Preis.
    Viele ärmere Familien wurden entwurzelt – obgleich einige unverhofft zu Geld kamen, wenn sie feststellten, dass ihr Grundbesitz innerhalb der neu geschaffenen Grenzen lag. Es hatte auch ein paar Widerspenstige gegeben wie zum Beispiel Bürgerwehren, Waldschrate und Naturapostel, doch selbst die hatte man irgendwann herumgekriegt, sei es durch amtliche Verordnungen oder durch Bestechung. Viele von diesen Leuten hatten sich nach Nordidaho und Montana zurückgezogen, wo sie nun über genügend Platz und politischen Einfluss verfügten.
    Der Einundfünfzigste Bundesstaat dagegen war zu einem Zufluchtsort ganz anderer Art geworden.
    Man musste schon etwas springenlassen, zahlte hohe Steuern und satte Immobilienpreise.
    Viel bedenklicher waren jedoch die Gesetze im EinundfünfzigstenBundesstaat mit ihren tiefen Eingriffen in die Privatsphäre der Bewohner, der Kontrolle über Ein- und Ausreise sowie der Beschneidung bürgerlicher Rechte. Es ging nicht nur darum, dass der Erste Zusatzartikel eingeschränkt wurde. Freiwillig wohlgemerkt. Auch der Vierte und der Sechste erfuhren eine Neuauslegung.
    Nicht mein Ding, war Jeffreys Fazit. Dabei konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen, woher diese Abneigung kam.
    Er zog sich die Jacke enger um die Schultern und eilte die Straße entlang. Du weißt herzlich wenig über diese neue Welt, dachte er. Dann wurde ihm klar: Du bist soeben im Begriff, einiges dazu zu lernen.
    Für einen Augenblick fragte er sich, welcher Menschentyp wohl auf einen solchen Kuhhandel einging, wie ihn das Territorium verlangte: Freiheit gegen Schutz.
    Was man tatsächlich im Gegenzug bekam, war ein verlockendes Versprechen: Sicherheit. Garantierte Sicherheit. Absolute Sicherheit.
    Das Amerika eines Norman Rockwell.
    Das Amerika der fünfziger Jahre unter Eisenhower.
    Ein längst vergessenes Amerika.
    Und genau da lag Agent Martins Dilemma.
    Er klemmte sich die Ledermappe mit den drei Verbrechen fester unter den Arm und dachte: Das ist ein altes Problem. Das älteste Problem. Was passiert, wenn es den Fuchs in den Hühnerstall treibt?
    Er schmunzelte. Dann ist die Hölle los.
     
    In der Vorhalle der Bücherei lebten mehrere Obdachlose. Sie erkannten ihn beim Eintreten und grüßten ihn laut.
    »He, Professor! Auch mal wieder zu Besuch?«, fragte eine Frau. An der Stelle, an der ihre Schneidezähne sein sollten,klaffte eine Lücke. Sie ließ ihrer Begrüßung schallendes Gelächter folgen.
    »Nee. Muss nur ein bisschen forschen.«
    »Bald brauchst du nix mehr zu forschen. Wenn du so weitermachst, bist du so tot wie die Leute, über die du forschen tust. Dann weißt du ’s genau, was, Professorchen?« Wieder lachte sie herzhaft und versetzte einem älteren Mann neben ihr einen Rippenstoß. Der schüttelte sich, dass seine lumpigen, dreckstarrenden Kleider raschelten wie welkes Laub.
    »Der Professor studiert keine Toten, du alte Hexe«, erklärte der Mann. »Er beschäftigt sich mit den Leuten, die sie um die Ecke bringen. Hab ich recht?«
    »Stimmt«, bestätigte Jeffrey.
    »Ach so«, meinte die Frau und verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Dann brauch er gar nicht selbst tot zu sein. Muss nur ein-, zweimal irgendwen um die Ecke bringen. Studieren Sie das, Professor? Wie man einen um die Ecke bringt?« Jeffrey fand die Logik der alten Frau so schwach wie ihre Stimme. Statt einer Antwort fischte er einen Zwanzig-Dollar-Schein aus der Tasche.
    »Hier«, sagte er. »Die Schlange vor

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