Das Rätsel
Antonio’s war nicht allzu lang. Holt euch eine Pizza.« Er ließ ihr den Schein in den Schoß fallen. Sie schnappte mit ihrer Klauenhand danach.
»Dafür kriegen wir nur ’ne kleine Pizza«, beschwerte sie sich in einer Aufwallung von Zorn. »Mit nur einem Belag. Ich mag Salami und er lieber Pilze.« Sie knuffte ihren Nachbarn energisch.
»Tut mir leid«, erwiderte Jeffrey, »mehr kann ich nicht für euch tun.«
Die alte Frau brach schlagartig in eine Mischung aus schrillem Geschrei und Kichern aus. »Dann eben keine Pilze«, gackerte sie.
»Ich mag aber lieber Pilze«, jammerte der Mann mit Tränen in den Augen. Jeffrey drehte sich um und bahnte sich seinen Weg durch mehrere Schwingtüren aus Stahl zum Eingangskontrollpunkt der Bibliothek, einer Trennwand aus Panzerglas. Die Bibliothekarin, die dahinter saß, winkte ihm lächelnd zu, und er übergab ihr seine Waffe. Sie deutete auf ein Nebenzimmer und sagte: »Ihr Freund wartet schon da drinnen auf Sie.« Ihre Stimme klang durch die metallene Sprechanlage fern und fremd. »Ihr gut bewaffneter Freund«, fügte sie mit einem Grinsen hinzu. »Hat ihm nicht gepasst, sein Arsenal abzuliefern.«
»Er ist Polizist«, erklärte Jeffrey.
»Na ja, jetzt ist er ein unbewaffneter Polizist. Keine Waffen in der Bibliothek. Nur Bücher.« Sie war älter als Clayton, und er schätzte, dass sie ihre Freizeit irgendwo dort hinten zwischen den Wälzern verbrachte und romantische Geschichten über die guten alten Zeiten verschlang. »Früher gab es mal mehr Bücher als Pistolen«, stellte sie mehr für sich selbst fest. Sie sah auf. »Stimmt’s, Professor?«
»Ist lange her«, erwiderte er.
Die Frau schüttelte den Kopf. »Trotzdem sind Ideen immer noch gefährlicher als Waffen. Dauert nur ein bisschen länger.«
Er lächelte und nickte. Die Frau wandte sich wieder ihren Überwachungsmonitoren zu, während sie gleichzeitig neue Titel in einen Computer eingab. Jeffrey durchschritt den Metalldetektor und trat in den Zeitschriftenraum der Bibliothek. Dort wartete der Agent allein, versunken in einem unbequem tiefen Ledersessel. Er rappelte sich hoch, um Clayton zu begrüßen. »Ich gebe nicht gerne meine Waffen ab, selbst wenn wir von Bildung umgeben sind«, murrte er und verzog süßsäuerlich das Gesicht.
»Das hat mir die Dame an der Tür schon erzählt.«
»Die überzeugt mich nicht, die hat eine Uzi im Schulterhalfter.«
»Da ist was dran«, räumte Jeffrey ein. Dann schob er das Lederköfferchen mit den drei Akten zu Agent Martin hinüber. »Da haben Sie Ihre Dossiers. Wie gesagt, weiß ich nicht recht, wie ich Ihnen helfen soll, solange ich nicht sämtliche Informationen zu jedem dieser Morde habe.«
Der Agent reagierte nicht darauf, sondern sagte: »Ich hab heute mit dem Dekan des Psychologischen Instituts gesprochen. Er hat sich damit einverstanden erklärt, Sie wegen eines Notfalls zu beurlauben. Ich habe Ihnen die Namen der Professoren aufgeschrieben, die Ihre Lehrverpflichtungen für Sie übernehmen. Ich dachte, Sie wollen vielleicht mit ihnen reden, bevor wir uns auf den Weg machen.«
Jeffrey fiel die Kinnlade herunter. Für einen Moment stotterte er, als er protestierte: »Einen Scheißdreck werde ich tun! Ich gehe nirgendwohin. Wer gibt Ihnen das Recht, sich mit irgendjemandem in Verbindung zu setzen oder irgendetwas für mich zu regeln? Ich habe Ihnen klipp und klar gesagt, dass ich Ihnen nicht helfen will. Das war auch so gemeint.«
Der Agent überhörte Jeffrey geflissentlich und sagte: »Ich war mir nicht sicher, was ich mit diesen Freundinnen machen sollte. Könnte mir denken, dass Sie zuerst mit ihnen reden wollen. Irgendeine plausible Lüge auftischen, denn dass irgendjemand erfährt, woran Sie in Wahrheit arbeiten, ist das Letzte, was ich brauchen kann. Ihr Institutsleiter glaubt, Sie wollten nach Old Washington. Lassen wir ihn einfach in dem Glauben, einverstanden?«
»Sie können mich mal«, unterbrach ihn Jeffrey wütend. »Ich bin raus aus der Sache.«
Agent Martin hatte nur ein müdes Lächeln für ihn übrig. »Ichglaube zwar nicht, dass wir Freunde werden«, meinte er, »aber ich denke zumindest, dass Sie ein paar meiner hervorstechenden Eigenschaften, wenn schon nicht bewundern, dann doch zumindest schätzen werden – allerdings räume ich gerne ein, dass Sie dazu bis jetzt noch wenig Anlass hatten. Nein, ich glaube nicht, dass wir Freunde werden, aber das muss ja auch nicht sein, Professor, oder? Darum geht es bei dem Ganzen
Weitere Kostenlose Bücher