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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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bekommen. Die Auftraggeber der Babysitterin mussten mit dem Auto nach Hause gekommen sein. Wie hatte er es vermeiden können, von deren Scheinwerfern erfasstzu werden? Ganz einfach. Er kam erst nach ihnen. Woher wusste er, dass sie zu Fuß nach Hause laufen würde, statt sich abholen zu lassen? Weil er sie schon vorher gesehen hatte. Woher wusste er, dass nicht auch Nachbarn kommen oder gehen würden? Weil er auch deren Tagesablauf kannte.
    Clayton holte tief Luft und bescheinigte sich, es sei nicht weiter besorgniserregend, wenn er eine ruhige Wohnstraße in einer Vorstadt entlangfuhr und mit einem Schlag die beste Stelle fand, an der ein Mörder seinem Opfer auflauern konnte. Er sagte sich, es sei schließlich nötig, das Viertel mit den Augen des Mörders zu sehen, da sie sonst keine Chance hätten, den Mann zu finden – mithin sei diese Fähigkeit etwas Lobenswertes und nicht Furchterregendes. Natürlich wusste er, dass das gelogen war. Dennoch klammerte er sich an diese Version, da er über andere Erklärungen nicht nachdenken wollte.
     
    Sie fuhren ein paar Minuten, bis sie das gehobene Baugebiet hinter sich hatten. Er stellte fest, dass rund um den Wohnkomplex eine schwarze Schlackenbahn zum Joggen führte, die durch andere Sportanlagen wie Tennisplätze, ein Basketballfeld sowie einen gut besuchten Kinderspielplatz vervollständigt wurde. Nicht weit von den Kindern saßen ein paar Frauen auf Bänken und plauderten, während sie ihre Kleinen nur so weit im Blick behielten, wie es die sichere Umgebung verlangte. Auf der Fahrt am Park vorbei sahen sie, dass die schmaleren Häuser auf der anderen Seite dichter und in einer Reihe sowie näher am Bürgersteig standen. Die Straßenschilder waren plötzlich braun.
    »Jetzt sind wir in Echo Woods«, erklärte Martin. »Ein braunes Baugebiet, Mittelschicht, aber das andere Ende des Spektrums. Unmittelbar am Stadtrand.«
    Aus dem kleinen Vorstadtviertel kamen sie auf einen breiten Boulevard mit niedrigen Einkaufszentren zu beiden Seiten. Ihr Design war dem Südwesten entlehnt, mit roten Ziegeldächern und hellbeige verputzten Wänden, was selbst für den großen Lebensmittelladen galt, der sich in der Mitte der Mall über fast einen ganzen Häuserblock erstreckte. Clayton fing an, die Namen der Läden zu lesen und stellte fest, dass auch sie in Gruppen geordnet waren: gehobene Modeboutiquen sowie Geschäfte für technische Geräte am einen Ende der Einkaufsstraße und Discount- sowie Haushaltswarenläden am anderen Ende. Restaurants, Pizzerien und Fastfoodketten verteilten sich über das ganze Zentrum.
    »So viel zu den Einkaufsgelegenheiten«, meinte der Detective. »Willkommen in Evergreen. Vorstadt von New Washington.« Das Zentrum der Kleinstadt verströmte beinahe so etwas wie ein New-England-Flair. Beherrscht wurde es von einem weitläufigen Platz mit saftig grüner Rasenfläche. Vom blauen westlichen Himmel zeichnete sich der weiße Turm einer episkopalen Kirche ab und rechts daneben ein zweiter mit einem Kreuz an der Spitze: eine Methodistenkirche. Am anderen Ende des Rasens stand die Synagoge den Kirchen gegenüber, und der Davidstern funkelte selbstbewusst auf ihrem Dach. Alle diese Gotteshäuser waren modern und kaum der traditionellen Formensprache verpflichtet. Nicht weit davon entfernt sah er ein Gebäudetrio, jedes mit weißen Schindelwänden. Eins davon war als STADTVERWALTUNG kenntlich gemacht. Auf dem nächsten stand STAATSSICHERHEIT, NEBENSTELLE 6. Und auf dem dritten: COMPUTER-CENTER.
    Ein kleineres Schild deutete auf eine Nebenstraße, in der die Bezirksschule EVERGREEN und das GESUNDHEITSZENTRUM lagen.
    Agent Martin nickte und fuhr am Rand des begrünten Platzes rechts heran. An einem Ende entdeckte Clayton sogar eine Statue – einen Soldaten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in heroischer Pose, der sich über zwei alte, schwarz gestrichene Kanonen erhob. Er fragte sich, ob die Stadt vielleicht einen fiktionalen Helden eingeführt hatte, den sie feiern konnte.
    »Sehen Sie, Professor? Alles, was das Herz begehrt. Gut durchorganisiert und da, wo man es braucht. Haben Sie sich einen Eindruck verschafft?«
    »Ich denke schon.«
    »In jeder Gemeinde mindestens drei Gotteshäuser. Die Konfessionen variieren selbstverständlich. Könnten genauso gut Mormonen sein. Katholiken, meinetwegen auch Muslime, Herrgott noch mal. Aber immer drei. Eine Kirche ist zu ausschließlich, zwei brächten Rivalität. Drei – das ist Vielfalt. Und gerade so viel, dass

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