Das Rätsel
schlecht, wie?«, fragte der Agent.
»Kann man wohl sagen«, räumte Clayton ein. »Sieht schön aus. Gibt es Vorschriften zu den Häusertypen?«
»Selbstverständlich. Bestimmungen zur Farbe. Zum Stil; Festlegungen, was man jeweils bauen kann und was nicht. Alle möglichen Vorschriften, nur dass man sie anders nennt. Sie heißen Vertragsklauseln, und jeder unterzeichnet ein entsprechendes Abkommen, bevor er hierher zieht.«
»Und niemand hat etwas dagegen?«
Der Detective schüttelte den Kopf. »Niemand hat etwas dagegen.«
»Nehmen wir mal an, Sie besäßen eine wertvolle Kunstsammlung, für die Sie Luftdrucksensoren und Alarmanlagen brauchen. Könnten Sie so was installieren lassen?«
»Ja. Vielleicht. Allerdings müsste jedes System staatlich registriert, inspiziert und genehmigt werden. Jeder vereidigte Sachverständige könnte den Papierkram erledigen. Das gehört dazu.«
Martin drosselte das Tempo und hielt vor einem großen Haus in modernem Stil. Allerdings stand es offensichtlich leer; neben der Einfahrt hing ein Schild mit der Aufschrift FOR SALE. Der Rasen stand ein wenig höher als bei den angrenzenden Häusern im Block, und die Randbepflanzungen waren nicht gestutzt. Das Ganze erinnerte den Professor an einen schlaksigen Jungen, der insgesamt präsentabel wirkte, aber ungekämmt und unrasiert war, als sei er in der Nacht davor nach ein paar nicht erlaubten Bierchen zu spät ins Bett gekommen.
»Hier hat Janet Cross gewohnt«, berichtete der Detective ruhig und deutete auf die Akten, die Clayton im Schoß hielt.
»Sie war ein Einzelkind. Die Familie ist schließlich ausgezogen, vor vielleicht zwei, drei Wochen.«
»Und wohin?«
»Minneapolis, hab ich gehört. Dahin zurück, wo sie herkamen. Sie hatten dort Verwandte.«
»Und die Nachbarn? Was dachten die über den Fall?«
Agent Martin fuhr wieder auf die Straße. »Wer weiß?«, erwiderte er nach einer Weile.
Clayton hatte die nächste Frage auf der Zunge, doch er beherrschte sich. Er warf einen Seitenblick auf den Polizisten, der geradeaus auf die Straße starrte. Eine seltsame Antwort, dachte der Professor. Die Nachbarn hätten gründlich befragt werden müssen. Hatten sie etwas gesehen? Etwas gehört?War ihnen in den Tagen vor der Entführung der jungen Frau irgendjemand aufgefallen, der sich im Viertel herumtrieb? Und danach? Hatten sie sich nicht bei der Polizei beschwert? Hatten sie keine Nachbarschaftsverbände zur Verbrechensbekämpfung gebildet, Versammlungen abgehalten und Schutzpatrouillen eingesetzt? Hatten sie nicht auf zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen bestanden und Überwachungskameras vorgeschlagen? In einer Sekunde fielen ihm mindestens ein halbes Dutzend Reaktionen ein, die für dieses Mittelstandsmilieu nach einem Verbrechen typisch gewesen wären. Sie mochten fruchtlos sein, doch immerhin Reaktionen.
Er atmete langsam aus und fragte stattdessen: »Wie genau ist sie verschwunden?«
»Auf dem Heimweg nach dem Babysitten bei Leuten keine drei Häuserblocks von hier entfernt. Gerade noch nahe genug, um sich nicht abholen zu lassen. Und auch noch früh genug. Das Paar, das sie engagiert hatte, hatte für ein frühes Abendessen einen Tisch reserviert und war anschließend in die Acht-Uhr-Vorstellung irgendeines Films gegangen. Sie kamen nach Hause, zahlten ein paar Dollars, schon war sie zur Tür hinaus und wurde nach elf nicht mehr gesehen.«
»Fahren Sie zu dem Haus rüber, wo sie gearbeitet hat«, bat Jeffrey; Martin nickte und brummte etwas.
Clayton lehnte sich zurück und ließ seiner Einbildungskraft freien Lauf. Er starrte die stille Vorstadtstraße hinunter, und es fiel ihm nicht schwer, sich vorzustellen, wie die Gegend in Dunkelheit gehüllt wurde. Hatte in der fraglichen Nacht der Mond geschienen? Er nahm sich vor, es herauszufinden. Die Baumgruppen würden Schatten werfen und kein Licht vom Himmel durchlassen. Es gab nur wenige Straßenlaternen – und die waren vollkommen anders als die starken Natriumdampflampen, die fast im ganzen übrigen Land dunkle Winkelausleuchteten. Dafür bestand hier keine Notwendigkeit, und die Hausbesitzer würden sich wohl eher beschweren, wenn solche Helligkeit durch ihre Fenster drang.
Clayton begriff. Wer an diesen Mythos von Sicherheit glaubte, dem würde es nicht gefallen, dass ihn jede Nacht grelle Lampen daran erinnerten, dass er sich irren könnte.
Er versuchte weiter, sich den entscheidenden Moment vorzustellen. Sie ging also lange nach Einbruch der Dunkelheit nach
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