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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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werden würde. Jeffrey hatte gegenüber Detective Martin darauf bestanden, dass jeder Besucher der Feier für das ermordete Mädchen auf Video gebannt und dass außerdem bei jedem Fahrzeug, das, egal zu welchem Zweck auch immer, an der Kirche vorüberfuhr, Kennzeichen und Fahrzeughalter überprüft wurde. Er wollte die Namen und alle verfügbaren Informationen jedes Einzelnen erfahren, der mit der Beisetzung der jungen Frau in irgendeiner Verbindung stand. Über jeden, der auch nur das bescheidenste Interesse zeigte.
    Diese Listen waren in Arbeit, und er hatte die Absicht, sie mit denen von Lehrern, Bauarbeitern, Gärtnern abzugleichen – mit jedem, der mit ihr in Kontakt gekommen sein könnte. In einem zweiten Schritt würde er diese Liste mit jedem Namen vergleichen, der bei den Ermittlungen zu Opfer Nummer drei auftauchte. Dies gehörte zu den ganz normalen Verfahrensweisen bei Serienverbrechen. Es war eine zeitraubende, frustrierende Arbeit, doch hier und da wurde die Polizei, wenn man der einschlägigen Literatur glaubte, tatsächlich fündig, und ein Name erschien auf beiden Listen.
    Seine Hoffnungen hielten sich allerdings in Grenzen.
    Du kennst das alles, nicht wahr?, fragte er plötzlich das innere Bild, das er sich vom Mörder machte. Du kennst die üblichen Vorgehensweisen, sämtliche Ermittlungstechniken?
    Die Stimme des Pastors donnerte in seine Gedanken.
    »Zeigt Gott uns nicht mit solchen Unglücksfällen, dass er nach seinem eigenen Ratschluss verfährt? Dass er unserem Leben seinen Willen auferlegt?«
    Jeffrey hatte die Faust geballt. Ich muss das Verbindungsglied finden, dachte er. Was treibt dich zu diesen jungen Frauen? Was willst du damit sagen?
    Er wusste keine Antwort.
    Jeffrey hob den Kopf und schenkte dem Gottesdienst wieder mehr Aufmerksamkeit. Er war nicht in der Hoffnung auf göttliche Inspiration in die Kirche gekommen. Seine Neugier ging in eine andere Richtung. Tags zuvor hatte er die Anschlagtafel mit dem Thema der Sonntagspredigt gesehen: »Wenn uns Gottes Unglücksfälle treffen.« Die Wortwahl
Unglücksfälle
hatte er seltsam gefunden.
    Wie passte das zu der abgründigen Böswilligkeit, deren Werk er ein paar Tage zuvor gesehen hatte?
    Das wollte er gerne wissen.
    Was für ein Unglücksfall?
    Er hatte diese Frage für sich behalten und nicht einmal mit Agent Martin darüber gesprochen, der jetzt ungeduldig vor der Kirche auf ihn wartete.
    Jeffrey lauschte nun aufmerksamer. Der Pastor dröhnte weiter, und der Professor wartete nur auf ein einziges Stichwort:
Mord
.
    »Und so fragen wir uns: Welchen Plan verfolgt Gott, wenn er uns einen so jungen und vielversprechenden Menschen nimmt? Denn es gibt einen solchen Plan, da dürfen wir uns ganz sicher sein …«
    Jeffrey rieb sich die Nase. Toller Plan, dachte er.
    »Und manchmal lernen wir, dass er, indem er die Besten zu sich nimmt, uns, die Hinterbliebenen, in Wahrheit bittet, ihren Glauben zu verdoppeln und ihre Hingabe zu verstärken und das Gute zu vermehren und in ihrem Leben Liebe zu verbreiten …«
    Der Geistliche legte eine Pause ein, damit seine Worte alle Gesichter erreichen konnten, die ihm zugewandt waren.
    »Und wenn wir uns diesem Pfad verschreiben, den er so deutlich vorgezeichnet hat, dann werden wir bei aller Trauer und allem Kummer uns selbst und all die anderen, die noch hierauf der Erde weilen, Gott um so vieles näher bringen. Das fordert er von uns, und es ist eine Herausforderung, der wir uns würdig erweisen werden!«
    Der linke Arm des Pastors, der bis dahin reglos an seiner Seite gehangen hatte, schnellte empor und deutete eifrig gen Himmel, als wollte er damit zu verstehen geben, dass der da oben, der ihm seine Worte eingegeben hatte, zum Ende gekommen war. Der Mann legte wieder eine Pause ein, um seiner Predigt noch einmal Gewicht zu verleihen, dann schloss er mit den Worten: »Lasst uns beten.«
    Jeffrey senkte den Kopf, wenn auch nicht zum Gebet.
    Aus dem, was ich nicht zu hören bekommen habe, dachte er, habe ich etwas Wichtiges gelernt. Etwas, das seinen Magen zusammenkrampfen ließ und ihm eine dumpfe Angst einflößte, die nichts mit den Morden zu tun hatte, in denen er ermittelte, dafür aber umso mehr mit dem Ort, an dem er es tat.
     
    Agent Martin saß an seinem Schreibtisch und spielte mit Jacks. Der kleine Gummiball machte ein dumpfes Geräusch, wenn er auf die Tischplatte prallte, und gelegentlich war der Hüne nicht schnell genug beim Einsammeln der Jacks. Dann fing er unter Flüchen von vorne

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