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Das Rattenloch

Das Rattenloch

Titel: Das Rattenloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Verletzungen zufügen wollten.
    Es war eine Szene, die man auch in einem Zirkus hätte aufführen können, wobei man sich da wohl nicht getraut hätte, weil sich die meisten Menschen vor Ratten fürchteten.
    Diese Frau nicht. Sie genoss es, auf eine besondere Art und Weise von den Tieren bewundert zu werden. Die stocksteife Haltung hatte sie aufgegeben und die Arme ausgestreckt. Die Hände ebenfalls, sodass sie in der Lage war, die Tiere zu streicheln. Die Fingerkuppen fuhren über das Fell hinweg. Ich war mir sicher, dass die Ratten vor Freude und Spaß fiepten, was ich allerdings nicht hörte, denn das Geräusch des fließenden Wassers übertönte alles.
    Die Frau genoss es.
    Sie drehte sich auf der Stelle mit anmutigen und tänzerischen Bewegungen. Sie hatte dabei ihre Arme gehoben und schuf so mehr Platz für die Ratten, die jetzt tatsächlich an ihrem Körper emporkletterten und dabei so sanft und behutsam vorgingen, dass sie keine Wunden hinterließen.
    Das war schon ein Bild, über das ich nur den Kopf schütteln konnte, denn so etwas erlebte ich nicht alle Tage, trotz meines außergewöhnlichen Jobs.
    Sie genoss es. Die Tiere waren ihre besten Freunde. Sie hatten den nackten Körper in Besitz genommen. Sie huschten daran hoch, sie erreichten die Schultern, auf denen sie sich niederließen, aber sie sprangen auch höher und landeten auf dem Kopf der Frau, als wäre ihr Haar für sie ein Nest.
    Auch dort ließen sie sich nieder. Sie wühlten sich hinein, und die Frau hatte ihren Spaß. Das Lachen schallte über den Bach hinweg. Mir war unklar, ob sie mich auslachte oder das Lachen einzig und allein mit den Ratten zusammenhing, deren Erscheinen sie einfach nur erfreute.
    Von der Haut war sehr schnell nichts mehr zu sehen. Mir fiel nur der Pelz aus Ratten auf, der dort seine Heimat erhalten hatte. Es gab keine Schreie, es gab auch keine Worte, die Ratten waren gekommen und ließen sich auch nicht wegdiskutieren.
    Ich war noch immer nur ein Beobachter. Aber ich konnte mir vorstellen, dass mich die Nackte nicht nur gesehen, sondern sich auch Gedanken über mich gemacht hatte.
    Dass ich nicht ihr Freund sein konnte, stand schon fest, aber ich wunderte mich, dass sie mir noch nicht die Tiere auf den Hals geschickt hatte. Es wäre für sie ein Leichtes gewesen, den Bach wieder zu überqueren.
    Aber die Person hatte etwas anderes vor. Sie verschwand im Wald. Ohne sich richtig um mich gekümmert zu haben, machte sie auf der Stelle kehrt und ging davon.
    Ich blieb stehen und starrte ihr nach. Etwas anderes war mir nicht möglich. Ich bekam nicht mal den Mund zu. Erst als ich den Atem ausgestoßen hatte, war es mir möglich. Danach schüttelte ich verwundert den Kopf. Es gab keine Nackte mehr. Es existierten auch keine Ratten. Ich sah einzig allein den recht breiten Bach mit dem sprudelnden Wasser, dem Schaum auf den Kronen, den schnell fließenden Strudeln und dem letzten Sonnenlicht, das sich noch auf der Oberfläche in blitzenden Reflexen zeigte und weiterwanderte.
    Ich stand wieder in einer Idylle. Es war nichts da, was auf Ratten hingedeutet hätte. Eine Gegend für Maler, die sich mit der Natur verbunden fühlten.
    Das war ich nicht. Zwar liebte ich die Natur, aber nicht, wenn sie so gestört wurde.
    Ich stand noch immer auf der feuchten Wiese am Ufer. Ich wischte mir über die Augen und dachte daran, dass sich der Job allmählich hervorkristallisierte und es keine Spinnerei gewesen war, dass man mich in diese Gegend geschickt hatte.
    Hier war etwas im Gange, von dem ich bisher nur den Anfang des Fadens in der Hand hielt, aber das Knäuel noch längst nicht sah. Sehr langsam drehte ich mich um.
    Vor mir lag der Wald, den ich durchquert hatte. Bewegungslos wie eingeschlafen und doch normal. Denn das andere war nicht normal gewesen. Dass Ratten frei herumliefen, das war okay. Nicht aber, dass sie einer nackten Person gehörten, die mit ihnen wieder im Wald verschwunden war.
    Ich überlegte noch, ob ich den Bach überqueren sollte, um die Frau mit den Ratten zu verfolgen. Zum einen kannte sie sich besser aus, sie würde mir immer entwischen können, und zum anderen hatte ich keine Lust, mich mit Ratten anzulegen, die sicherlich auf ihr Kommando hörten. Aber sie wusste jetzt Bescheid, dass wieder jemand in der Nähe war. Möglicherweise drohte diesem Jemand das gleiche Schicksal wie den Personen, derentwegen ich überhaupt hier war. Die Gerüchte waren für mich keine Gerüchte mehr, und ich musste zugeben, dass auch

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