Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
genug waren, um ganze Kompanien darin zu drillen. Prächtige Mosaiken zierten dort die Fußböden und erlesene Gobelins die marmorverkleideten Wände, und durch hohe Glasfenster strömte das Licht herein. Sicher, das Schloss war elend zugig und kaum zu beheizen, aber das kümmerte den Herzog verdammt wenig. Er musste seinen Rang auch nach außen zur Schau stellen, und sobald er einen Raum betrat, der weniger als fünfzehn Schritt im Quadrat aufwies, schien ihn die Angst vor dem gesellschaftlichen Abstieg zu packen. Julia kräuselte hämisch die Lippen. Es gab Dinge im Hügelland, nach denen sie Sehnsucht hatte, aber der Palast ihres Vaters gehörte nicht dazu. Ihr Vater übrigens auch nicht.
Der König lebte da viel bescheidener. Kein Zimmer war größer als fünf Schritte im Quadrat, und die Einrichtung wirkte eher behaglich als elegant. Julias Blicke schweiften anerkennend durch das Gemach, das Wohn- und Schlafraum zugleich war, und sie lächelte nachsichtig. Hier herrschte die für alleinstehende Männer typische gemütliche, etwas chaotische Enge. Bücher säumten die Wände vom Boden bis zur Decke und stapelten sich auf Tischen und Stühlen, wo ihnen benutztes Geschirr und Papiere den Platz streitig machten. Abgestoßene Statuen und verblichene Miniaturen füllten jeden freien Winkel. Die meisten Möbel waren abgenutzt und schäbig und hatten das Aussehen von Dingen, die man einfach nur deshalb über ihren Nutzen hinaus behielt, weil sie alt und vertraut waren.
Selbst die vielen Läufer, die den Boden bedeckten, wiesen durchgescheuerte Stellen auf. Dann stürzte ein Holzscheit polternd in die Glut, und John rutschte unbehaglich in seinem Sessel hin und her.
„Völlig ungewohnt, so früh im Jahr in der Winterwohnung zu hausen“, brummte er. „Eigenartiges Gefühl. Eben erst ist der Herbst angebrochen, aber der Schnee liegt schon knöcheltief, und auf dem Burggraben hat sich eine Eisdecke gebildet. Noch ehe die Bäume richtig kahl sind, schmerzen meine alten Knochen vor Kälte, wenn ich nicht Tag und Nacht kräftig heize. Außerdem haben die gottverdammten Diener meine Möbel völlig falsch gestellt. Sicher mit Absicht, weil ich das eine oder andere Mal etwas laut war.“
„Wir mussten den Umzug in diesem Jahr früher als sonst durchführen“, erläuterte Harald. „Du solltest ein wenig Nachsicht mit deinem Hauspersonal üben.“
„Will ich aber nicht!“, schnaubte John. „Schließlich bin ich König.“
Harald und Julia lachten, und nach einem kurzen Moment stimmte John ein.
„Du hast recht; ich hätte nicht herumschreien dürfen. Aber wenn du mal so alt bist wie ich, wirst du merken, dass die kleinen Dinge im Leben immer bedeutungsvoller werden. In meinen Räumen hat alles seine feste Ordnung und seinen Platz. Ja, lächelt ruhig, Julia, ich weiß genau, was Ihr denkt! Mag sein, dass es für Euch eher nach Chaos aussieht, aber es ist meine Unordnung, in der ich mich genau auskenne. Wenn ich nachts aufwache und es dunkel ist, muss ich nur die Hand ausstrecken, um die Kerze an ihrem gewohnten Fleck zu finden. Das ist bedeutsam. Nicht, dass es je dunkel ist, ich brauche sie, um das gottverdammte Feuer wieder anzufachen, wenn es ausgehen will; andernfalls verbringe ich die halbe Nacht zähneklappernd unter meinen Decken. Ich kann dieses Feuer nicht ausstehen. Es lauert, während ich einzuschlafen versuche, lässt mich zusammenzucken, wenn es unverhofft knistert und kracht, und starrt mich die ganze Zeit über an wie ein böses rotes Riesenauge.“
Er unterbrach sich, als sich die Tür plötzlich öffnete und Fürst Vivian den Raum betrat, vorwärtsgeschoben von der Klinge eines Leibwächters. Auf Befehl des Postens blieb er stehen, ein gutes Stück von John entfernt, in lässiger Haltung, ohne die Anwesenden zu beachten. Man hatte ihn nicht gefesselt, aber seine Schwertscheide war leer. John nickte dem Posten kurz zu. Der Mann verneigte sich steif und ging. Fürst Vivian sah den König an.
„Habt Ihr so viel Vertrauen in mich, dass Ihr mich ohne Bewacher in Eurer Gegenwart duldet?“, fragte er langsam.
„Natürlich“, sagte Harald lässig. „Ihr seid unbewaffnet.“
Vivian lächelte kalt.
„Ich habe Euch kommen lassen, weil ich mit Euch zu reden habe“, sagte John und sah Harald mit einem warnenden Stirnrunzeln an. „Die Landgrafen sind tot, Darius ist verschwunden. Damit rückt Ihr gewissermaßen zum Rebellenführer auf. Ich gehe davon aus, dass die Revolutionäre eher auf Euch als auf
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