Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
auf die Beine und stützte sich auf Wolfsbann. Tief in der Nacht bildete sich ein bleicher Schimmer. Es war das gleiche morbide Blau, das der Vollmond über ihnen ausstrahlte.
Der blaue Schein kroch langsam aus dem Düsterwald heran, ein unbeständiges Licht, das sich hob, senkte und ständig seine amorphe Gestalt veränderte. Dämonen zischelten unruhig in den Schatten und wichen tiefer ins Dunkel zurück.
„Was zur Hölle lauert da draußen?“, dachte Rupert. „Was kann so schrecklich sein, dass selbst die Dämonen Angst bekommen?“ Er erinnerte sich an den monströsen Wurm von Kupferstadt und trat ein paar Schritte vor, um sich zwischen Julia und die Bedrohung aus der Schwärze zu schieben. Die Überlebenden des Heeres hatten sich hinter die grauenhafte Barrikade zurückgezogen und spähten atemlos in die Finsternis.
Ein tiefer Bass r öhrte durch die Nacht, ein lang gezogenes, ohrenbetäubendes Gebrüll, erfüllt von sinnlosem, lebensgefährlichem Zorn. Das Dröhnen hallte in Ruperts Schläfen wider, nachdem es einem dumpfen, bedrohlichen Knurren gewichen und dann ganz verstummt war. Rupert warf einen flüchtigen Blick auf die Barrikade aus Toten, entschied aber sofort, dass es wenig Sinn hatte, in ihren Schutz zu flüchten. Das Ding, das aus dem Dunkel auf ihn zukam, ließ sich sicher nicht von diesem schwachen Hindernis aufhalten. Er hörte ein träges, dumpfes Wummern, das an das Klopfen eines gewaltigen Herzens erinnerte und ihm einen Schauder über den Rücken jagte. Er hatte diesen Laut schon einmal gehört, als er mit dem Erzmagier vor der Burg eingetroffen war. Der Boden erzitterte unter seinen Füßen, und wieder spürte er eine Eiseskälte in seinem Innern, als er das Geräusch erkannte: Es waren die schweren, gleichmäßigen Tritte eines Riesen, der durch die Nacht stapfte und immer näher kam. Der allgegenwärtige Gestank von Fäulnis und Moder wurde stärker, als der amorphe blaue Schimmer heranwogte, und die Schritte erschütterten die Erde wie Hammerschläge. Das tanzende, blaue Licht verharrte schließlich knapp zwanzig Meter von den Verteidigern entfernt, und die Schritte verklangen. Das Licht flammte kurz auf und umriss die Baumskelette mit seinem grellen Schein, ehe es erlosch und das Gräuel preisgab, das es verhüllt hatte.
Obgleich es offensichtlich seit geraumer Zeit tot war, konnte es sich bewegen und seine Umgebung wahrnehmen. Die fahle, kreideweiße Haut war trocken wie bei einer Mumie und an manchen Stellen so zerfallen, dass die blassen Gebeine zutage traten. In einem breiten Maul saßen riesengroße Sägezähne, und aus den leeren Augenhöhlen schossen grelle Flammen. Das Monster hatte je zwei Arme und Beine, und es konnte aufrecht gehen, aber damit war bereits jegliche Ähnlichkeit mit einem Menschen erschöpft. Ein langer Schwanz mit Widerhaken peitschte verdrießlich hin und her und zerfetzte die altersschwachen Baumstämme in seiner Reichweite, als die Kreatur dazwischen einherschritt. Sie war tot und sich dennoch ihrer Umwelt bewusst. Sie hatte eine Ewigkeit unter der Erde gelegen, bis jemand sie geweckt und erneut zum Töten ausgesandt hatte. Der Boden zitterte unter ihren Füßen, und ihr Hass dröhnte in der stinkenden Luft.
„Die Schwerter!“, schrie König John. „Die Höllenklingen! Sie sind unsere einzige Hoffnung!“
Er krabbelte über die Barrikade, gefolgt von Harald. Das Heer machte Anstalten, sich zu sammeln, aber der König winkte ab. Er trat der Bestie mit festen Schritten entgegen, und Harald, Rupert und Julia nahmen ihre Plätze hinter ihm ein. Das Monster hob den Schädel und verfolgte angespannt jede ihrer Bewegungen. Die Flammen in seinen Augenhöhlen zuckten unruhig. Unvermittelt blieb der König stehen, warf dem hoch aufgerichteten Angreifer einen zornigen Blick zu und rammte das Schwert in den Boden. Die Erde wölbte sich auf und brach, stöhnend wie ein verwundetes Tier, aber das Monster wankte nicht einmal. Während König John Felsbrecher aus dem Erdreich zog, trat Harald vor und schwang Blendflamm hoch über den Kopf. Rote Flammen züngelten die Klinge entlang. Von der Schwertspitze jagte ein Feuerstrahl in die Brust des Monstrums. Es brüllte in blindem Zorn, aber die Hitze konnte seinem toten Fleisch kaum etwas anhaben. Julia packte Wolfsbann fester und versuchte, in einem weiten Bogen die linke Flanke des Monsters zu erreichen. Es drehte den Schädel, um ihre Bewegungen zu verfolgen, und Rupert scherte auf seine rechte Seite aus. Er
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