Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
Waldboden.
Die Erde teilte sich mit knarzendem Brüllen, und gezackte Risse breiteten sich nach allen Richtungen aus, hundert Meter und länger. Ein Knarren drang aus der Tiefe, als sich der Grund in einer langsamen Wellenbewegung hob und senkte. Dämonen fielen in klaffende Spalten und starben unter nachrutschendem Geröll. Etwas wälzte sich friedlos im Schlaf, ein fremder Koloss im geheimnisvollen Schoß der Erde, und stieß ein entsetzliches Geheul aus, als es unter dem unerbittlichen Gewicht des Waldbodens starb. König John starrte mit grimmer Befriedigung umher, erfreut über die Verwüstung, die er angerichtet hatte. Doch dann verschwand sein triumphales Lächeln, als er sah, wie sich sein Heer aus den Spalten zu retten versuchte, ehe sich die Ränder wieder schlossen. Der König zog Felsbrecher mit einem Ruck aus dem Waldboden, und die aufgewühlte Erde kam wieder zur Ruhe.
„In diesem Schwert steckt große Macht“, dachte König John. „Die Macht, die Erde zu verwüsten und neu zu gestalten. Die Macht, Gebirge abzutragen oder neue entstehen zu lassen. Felsbrecher.“
Erst viel später kam ihm in den Sinn, wie viele seiner Untertanen durch diese Macht den Tod gefunden hatten.
Die Dämonen fielen zu Hunderten durch die Höllenklinge n, aber immer noch strömten sie in Scharen aus dem Dunkel. Das Heer erreichte den Abhang des Burggrabens und verteidigte sich dort, so gut es das vermochte. Die Zugbrücke war hochgezogen. Man würde sie erst herunterlassen, wenn König John den Befehl zum Rückzug gab. Von den fünfhundertfünfzig Männern und Frauen, die dem König in die Dunkelheit gefolgt waren, hatten keine hundert das Massaker lebend überstanden. Gleich in den ersten Minuten des Kampfes waren die Lanzenreiter gefallen, zu Boden gerissen und getötet von den anstürmenden Dämonenhorden. Die meisten der Bauern, Händler und Bürger waren tot, dazu die Hälfte der Soldaten und Gardisten. Die Überlebenden scharten sich nun zu einem trotzigen Haufen am Rand des gefrorenen Burggrabens zusammen und hieben mit ihren blutbefleckten Waffen verzweifelt auf die Angreifer ein. Die Dämonen waren überall, erfüllten die Nacht, und für jeden, der fiel, drängten neue nach.
Rupert wankte im Sattel. Um ein Haar wäre er gefallen. Er fing sich im letzten Augenblick ab und umklammerte die Zügel fester. Seine Muskeln brannten wie Feuer, alles drehte sich vor seinen Augen, aber er gab nicht auf. Anfangs dachte er noch an seine Pflicht, dann ans Überleben, doch am Ende kämpfte er einfach weiter, weil er sich der Dunkelheit nicht geschlagen geben wollte. Er war in der Vergangenheit so oft unterlegen, aber er hatte nie aufgegeben, und er würde es auch diesmal nicht tun. Zu seiner Linken erkannte er den Ersten Ritter. Der stand an der Spitze des geschrumpften Heers und schwang seine kolossale Streitaxt wie ein Spielzeug. Sein Reitpferd war verschwunden, und Blut besudelte die verbeulte Rüstung, aber die Dämonenflut brach sich an ihm wie die Brandung an einer Felsenklippe. Rupert wusste, dass er bei diesem Anblick eigentlich neuen Mut schöpfen sollte, aber er fühlte sich so gottverdammt müde, dass er gar nichts mehr empfand.
Plötzlich barst mit einem lauten Krachen die Eisdecke hinter ihm, und das Burggrabenungeheuer schoss mit Gebrüll aus den kalten Tiefen. Der Riese, der von der Schnauze bis zur Schwanzspitze gut zwölf Schritte lang war, stürzte sich auf den nächstbesten Dämon, der Rupert bedrohte, und zerriss ihn in der Luft. Dann riss er das Maul mit den krummen Fängen weit auf, warf den hässlichen Kopf zurück und heulte der Finsternis seine Kampfansage entgegen. Unter seinem Panzer verliefen dicke Muskelstränge, und die Böschung des Burggrabens schien ein wenig unter seinem enormen Gewicht einzusinken. Nachdem er sich mit einem schnellen Blick vergewissert hatte, dass Rupert nichts zugestoßen war, stürmte er auf die Dämonen los. Seine großen Krallen und Zähne richteten ein Blutbad unter den Kreaturen der Nacht an.
„So also sieht das Burggrabenungeheuer aus“, dachte Rupert. „Ich habe mich das oft gefragt. Es ist ziemlich ... eindrucksvoll.“
Ein Dämon sprang aus dem Dunkel auf ihn zu, und Rupert riss ihm noch im Flug die Gedärme auf. Der Angreifer umfasste im Sturz seinen Schild. Mit einer Reflexbewegung schnitt Rupert die Halteschlaufen durch und ließ den Schild fallen, ehe ihn das Gewicht des Widersachers aus dem Sattel ziehen konnte. Ein Ding mit triefenden, roten Augen kam
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