Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
„erschlage ich den Seneschall mit dem nächstbesten stumpfen Gegenstand!“ Sie rollte sich zur letzten Stufe, richtete sich langsam auf und winkte Bodeen zu, der sie angespannt von der anderen Seite der Lücke aus beobachtete.
„Gut, Bodeen, kommt herüber. Aber versucht, auf diese Stufe hier zu springen. Ich glaube nicht, dass die andere Euer Gewicht trägt.“
Bodeen nickte und war mit einem großen, federnden Schritt neben ihr. Der Steinblock verkraftete seine Landung mit nur sehr leichtem Zittern, und Julia wandte ihre Aufmerksamkeit der offenen Tür des Schatzhauses zu. „Nach allem, was ich durchgemacht habe“, dachte sie erzürnt, „ist dieses Schatzhaus hoffentlich die Mühe wert.“
Sie warf einen letzten Blick auf den Wald tief unter ihr und trat ein.
Wieder wechselte die Schwerkraft, als sie noch mitten in der Luft war, und sie schaffte es gerade noch, einen Sturz zu verhindern. Sie hielt nach dem Seneschall Ausschau und musste abrupt zur Seite springen, als Bodeen mit einem Salto durch die Tür geschossen kam. Er hatte Mühe, auf beiden Füßen zu landen, und als Julia die Hand ausstreckte, um ihn zu stützen, sah sie zu ihrer Verblüffung, dass der Mann errötete. Sie musste lachen, als ihr die Erklärung dämmerte, und brachte den geschürzten Rock wieder in Ordnung. Bodeen verwandte große Sorgfalt darauf, die Schatzhaustür zu schließen, und drehte sich erst wieder um, als er sicher sein konnte, dass ihre nackte Haut wieder tugendhaft bedeckt war.
„Auf der Treppe hat Euch das nicht gestört“, stellte Julia belustigt fest.
„Das war eine Zwangslage“, erklärte er mit großer Bestimmtheit. „Hier aber schickt sich so etwas nicht. Ich meine … was würde der Seneschall sagen?“
„Zweifellos etwas Gehässiges“, entgegnete Julia und ließ den Blick neugierig schweifen. Als sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnten, erkannte sie, dass sie in einem großen Saal standen. Spärliches Licht sickerte durch die Ritzen der Fensterläden. Spinnweben hüllten die hohe Holzdecke ein und bildeten in allen Ecken und Nischen grausilberne Nester. Staub war aber kaum zu sehen.
Mit Büchern vollgestopfte Regale säumten die Wände, und Dutzende von Stühlen standen vor Dutzenden von Schreibtischen, alle durch ein Wirrwarr von Spinnfäden miteinander verbunden.
„Ich frage mich, was das hier einmal war“, sagte Julia.
Bodeen zuckte die Achseln. „Wenn wir uns wirklich im früheren Schatzhaus befinden, dann war dies vermutlich das Zählkontor.“
„Auf Anhieb richtig“, sagte der Seneschall, der plötzlich durch eine Tür zu ihrer Linken kam. „Wer weiß, wie viele Tonnen Gold, Silber und Kupfer hier im Lauf der Generationen erfasst wurden. Der gesamte Reichtum des Waldkönigreichs hat irgendwann diesen Raum passiert.“
Julias Augen glänzten plötzlich. „Glaubt Ihr, es liegt noch etwas von dem Gold, Silber und Kupfer herum?“, fragte sie betont gleichgültig.
Der Seneschall kicherte. „Wer weiß?“
„Dann war die Mühe vielleicht doch nicht umsonst“, meinte Julia, und Bodeen nickte feierlich.
„Begeben wir uns zuerst zum alten Arsenal“, schlug der Seneschall trocken vor. „Danach können wir eventuell noch eine kleine Schatzsuche organisieren. Hier entlang!“
Julia grinste, und gemeinsam folgten sie und Bodeen dem Seneschall durch die Seitentür in einen Vorraum. Julia blieb auf der Schwelle stehen und rümpfte bei dem Gestank, der ihr entgegenwehte, angewidert die Nase. Die dunkle Kammer hatte wahrscheinlich schon, als sie noch täglich benutzt wurde, klein und schäbig gewirkt, aber nach zweiunddreißig Jahren des Verfalls stank sie nach Feuchtigkeit und Moder.
Sie besaß keine Fenster, doch die Laterne des Seneschalls enthüllte Schimmelflecken und halb verfaulte Holzvertäfelungen, und was einst ein weicher, hochfloriger Teppich gewesen war, zerbröselte nun unter Julias Stiefeln, als sie den Raum betrat. Ein einziger Stuhl lag umgekippt in einer Ecke, umgeben von einem Kokon aus Spinnweben. Der Seneschall drehte sich um, als wolle er Julia etwas erklären, und erstarrte. Irgendwo in der Nähe hörten sie ein hastiges Schlurfen, das viel zu laut und schwer klang, als dass es von Ratten stammen konnte.
Julia zog ihren Dolch und Bodeen sein Schwert. Der Seneschall wies wortlos auf die Tür am anderen Ende des Vorraums, die einen Spalt offen stand, und die drei schlichen vorsichtig näher. Das Kratzen war so plötzlich verstummt, wie es begonnen hatte, aber
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