Das Regenmaedchen
sie.
»Hat er sie umgebracht?«
»Sie sollten die Kinder wegbringen«, sagte Franza, beugte
sich zu den Mädchen und lächelte, so gut es ging.
Die Mutter nickte, wischte sich Tränen aus dem Gesicht und
brachte die Kinder fort.
»Ja«, sagte Felix und schaute Karen an. »Wir haben Grund
zu dieser Annahme.« Karen schluckte, ihre Lippen kräuselten sich, zitterten,
sie zog sie zwischen die Zähne, ging zu einem Schrank, entnahm ihm einen Packen
Fotos und warf sie auf den Tisch. Marie. Immer wieder und ausschließlich Marie.
»Ich habe sie im Schlafzimmer gefunden«, sagte Karen, und ihre Stimme hatte nun
Nachdruck und Festigkeit. »Da hatte er sich verbarrikadiert, seit gestern, ist
auch nicht mehr in die Schule gegangen. Als ich heute nach Hause kam, war er
nicht mehr da. Nur die Fotos.«
Sie schwieg, wandte sich zum Fenster, da war Nacht. Wieder
einmal, dachte Franza, schauen aus dem Fenster, in die Weite, in die Freiheit,
aber jetzt ist Nacht.
»Er hat gut durchgehalten«, sagte Karen. »Die letzten
Tage. Bis gestern. Ich habe nichts gemerkt. Gar nichts. Und dann sind Sie beide
gekommen. Und als Sie weg waren, ist er eingeknickt. Ist weg aus der Schule.
Hat sich herumgetrieben. Ich weiß nicht, wo. Er hat nicht mit mir geredet. Ich
konnte ihn nicht mehr erreichen.«
»Haben Sie's gewusst? Haben Sie ihn gedeckt?«
Sie wirbelte herum. Erschrocken. Empört. Eine Mischung.
»Was glauben Sie von mir?«
Herz zuckte die Schultern. »Es wäre nicht das erste Mal.«
In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt, dachte Arthur
und fragte sich gleichzeitig, was für ein blöder Spruch das war.
»Seine Liebe ...«, sagte Karen leise und schüttelte den
Kopf. »Ich glaube, sie war ... nie ...«
Sie brach ab, ein trauriges Sehnen trat in ihr Gesicht.
»Nein, ich hatte sie nie.
Obwohl ich sie so gerne ...«
Franza schaute Arthur an. Er stand ganz still und
aufmerksam. Es rührte sie. »Er ist nie glücklich gewesen«, sagte Karen und
hatte sich wieder gefasst. »Er hat immer darauf gewartet, aber es kam nicht,
das Glück. Ich glaube nicht, dass er mich geliebt hat. Vielleicht nicht einmal
die Kinder. Niemanden. Ich hatte immer das Gefühl, als warte er. Auf jemanden.
Auf etwas. Und es kam nicht. Nie. Und immer war er enttäuscht. Aber dann ...
auf einmal ... war Marie da.« Sie lachte leise, dachte nach. »Es war
offensichtlich. Er hat sie verschlungen. Von Anfang an. Sie hat ihm den Atem
geraubt. Ja. So war das. Immer. Am liebsten hätte er sie angefasst, ständig,
ich weiß das, ich hab das gespürt. Seine Hände haben gezittert, wenn sie in der
Nähe war. Es hat ihn wahnsinnig gemacht. Ich hab das gesehen.«
Sie angelte sich eine Zigarette aus der Packung, zündete
sie an, öffnete das Fenster. Der Rauch kräuselte sich in die Dunkelheit. Sie
hustete leise.
»Als sie dann dieses Kleid trug. Am Montag.« Sie drehte
sich um, Franza nickte.
»Ja, da ... ist er zu ihr hin. Hat ihr ins Ohr geflüstert.
Wahrscheinlich haben sie einen Treffpunkt ausgemacht, damit er sie ...
Wahrscheinlich ... hat das jeder gesehen. Ich weiß es nicht. Ich hatte das
Gefühl, ich müsste mich schämen, ich\«
Sie schüttelte den Kopf, lachte kurz auf. »Ist das nicht
verrückt?«
»Wo könnte er sein?«, fragte Franza und spürte, dass die
Zeit lief. »Denken Sie nach. Haben Sie eine Idee?«
Karen schüttelte den Kopf. »Nein, keine Idee.«
Franza seufzte innerlich, schloss kurz die Augen. »Wir
werden uns im Haus umsehen«, sagte Herz.
Karen macht eine wegwerfende Handbewegung, sog tief den
Rauch in ihre Lungen.
»Ja, ja. Tun Sie sich keinen Zwang an.«
Sie verteilten sich, Herz übernahm die Kellerräume und die
Garage, Arthur das Erdgeschoss, Franza Bad und Schlafräume im ersten Stock.
Gezielt suchte sie in den Badezimmerschränken nach einem
Rasierwasser, öffnete das Fläschchen, schloss die Augen, sog den Duft ein, gab
Kaffee dazu und Zigaretten, es passte. Alles fügte sich. Wo nur war Ben?
Karen kam. »Ich habe sie gemocht«, sagte sie. »Sie werden
mir das vielleicht nicht glauben, aber ich habe sie gemocht. Man musste das.
Sie mögen. Sie hatte
... etwas Unbestimmtes. Als wäre noch nichts entschieden.«
Franza hob überrascht den Kopf. Das hatte schon einmal
jemand gesagt. Port. Ich
muss ihn fragen, dachte Franza, ja, das muss ich. Aber
nicht mehr heute. Morgen.
»Es ist nicht Ihre Schuld«, sagte sie.
Karen nickte, starrte in den Spiegel. »Trotzdem hat es
mich erwischt.« Sie
wandte sich um. »Er hat ein
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