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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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ohrenbetäubendem
Getöse, völlig überraschend, völlig unvorhergesehen, war das Polizeiboot noch
weit genug entfernt, um auf der Stelle abdrehen zu können, und Herz versagte
mitten im Wort die Stimme.
    Plötzlich war eine dunkle Gestalt auf dem Boot
hochgesprungen, und er, Herz, hatte sich eingebildet, dass sie kurz die Hand
erhoben hatte, wie zum Gruß oder zum Abschied, wie immer man das letztlich
sehen wollte, und da hatte er, Herz, zum zweiten Mal ansetzen wollen, um Reuter
zur Aufgabe zu bewegen, aber im selben Augenblick war das Boot explodiert, vom
Zentrum, vom Körper des Menschen aus, der dort gestanden hatte.
    Das Feuer, zischend, lodernd, aggressiv, brannte rasch in
sich zusammen, innerhalb weniger Minuten war der Spuk vorbei, die Donau wieder
schwarz und gelassen.
    »Scheiße!«, sagte Herz aus tiefstem Herzen und sprach
damit aus, was alle dachten. »Verschissene Scheiße!«
    Sie hatten das Gefühl, versagt zu haben, weil sie zu spät
gekommen waren. Sie waren seiner nicht habhaft geworden, nicht so, wie man
eines Mörders im besten Falle habhaft wurde. Sie würden zwar die Teile seines
toten Körpers aus der Donau fischen, aber das war dann auch alles. Er hatte
sich ihnen entzogen, er hatte bis zum Schluss die Fäden in der Hand gehalten,
war ihnen immer einen Schritt voraus gewesen, hatte den Ablauf des bitteren
Spiels bestimmt, bis zum Ende. Es würde keine Verhöre geben, keine Fragen, kein
Warum, Weshalb, Wieso, keine Antworten.
    »Es ist vorbei«, sagte Franza langsam und legte Judith den
Arm um die Schultern. »Ja«, sagte Judith. »Vorbei. Wirklich?« Franza schwieg.
    »Wir fahren«, sagte Herz barsch. »Zum Teufel noch mal, wir
fahren. Robert, du übernimmst hier das Kommando und berichtest uns morgen. Ich
schick dir die SPUSI. Fischt heraus, was ihr erwischen könnt. Bringt es auf
Borgers Tisch, damit wir wenigstens sicher sein können, dass es Reuter ist.
Ansonsten geht morgen die Fahndung raus, aber ich glaube nicht, dass ...«
    Er brach ab, bückte sich, nahm eine Handvoll Kieselsteine
und schleuderte sie mit einem Wutschrei hinaus auf die Donau.
    Sie gingen zurück zu den Autos, Herz voran, dann Arthur,
dann Judith, dann Franza. Sie gingen hinaus aus den scharfen Grenzen der
Scheinwerfer, den Hügel hinauf in die Dunkelheit.
    »He!«, rief Herz plötzlich, »Stopp!«, blieb abrupt stehen
und leuchtete mit der Taschenlampe ins dichte Augestrüpp.
    Zwei dunkel gekleidete Gestalten flitzten leicht und behände
durch das Geäst, über lose Wurzeln und Steine, tanzende Faune mit flatternden
Haaren. »Lass sie«, sagte Franza. »Wir reden morgen mit ihnen.«
    »Waren das nicht...«, begann Herz. »Ja«, sagte Franza.
»Cosima und Jenny.«
    Es begann zu regnen. Leicht, aber mit Nachdruck. »Sieht
nach Landregen aus«, sagte Arthur und schüttelte sich. »Na, die werden Freude
haben da unten! Weiß jemand, wie spät es ist?«
    Sie zuckten die Schultern. »Irgendwas nach Mitternacht.«
    Dann saßen sie im Auto und fuhren zurück zum Gasthaus, wo
Arthurs Wagen stand und sie sich trennen würden. Arthur und Felix würden
vorausfahren in die Stadt, Franza wollte Judith Gleichenbach nach Hause
bringen.
    Arthurs Handy klingelte, er schaute auf das Display und
staunte. »Karolina!«, sagte er überrascht und vergaß für ein paar Augenblicke,
dass er nicht allein war.
    »Was will die denn?«
    »Na, geh ran, dann weißt du's!«, sagte Felix und erholte
sich langsam von seinem Zorn. »Obwohl, was wird die wollen? Einsam wird die
sein. Ohne dich.« Verlegen und etwas verwirrt warf Arthur einen Blick in den
Rückspiegel, in dem er Felix' Grinsen begegnete. Hatte er seine unglückliche Liebesgeschichte
wirklich so offensiv verbreitet, dass alle Bescheid wussten? »Na los!«,
bekräftigte Felix. »Eine Frau wie Karolina lässt man nicht warten. Weißt du das
nicht?«
    Arthur hob ab, lauschte lange. Dann begann sein Herz zu
rasen, denn Karolina ... Karolina wollte ihn glücklich machen.
    Sie vermisse seine unzuverlässige Art, ein Scheißpolizistenfrau-Leben könne sie sich jetzt vorstellen, zumindest vorübergehend, es entbehre
ja immerhin nicht einer gewissen Spannung. Ob er käme? Wann er käme? Sie hätte
Sushi bestellt. Kurz zog sich sein Magen zusammen, Sushi hasste er wie die
Pest, aber was tat man nicht alles im Namen der Liebe. »Ich freue mich«, sagte
er.
    Am Gasthaus trennten sie sich. Die Männer fuhren zurück in
die Stadt, Herz saß am Steuer, während Arthur auf dem Beifahrersitz still

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