Das Regenwaldkomplott
und naß, wie sie waren, trug er sie zum Bett und legte sich neben sie. Langsam begann er ihren nassen Körper zu streicheln und die Wassertropfen Zentimeter für Zentimeter wegzuküssen. Sie lag mit geschlossenen Augen da und ließ ihre Finger über seinen Nacken und seine Schultern gleiten, und sie seufzte tief vor Verlangen, als er mit seinen Lippen immer tiefer kam und dann seinen Kopf in ihrem Schoß verbarg. Ein Zittern lief durch ihren Körper, ihre Beine öffneten sich weit, und als sein Mund hinunterglitt und sie seine Zunge spürte, griff sie in sein Haar und wühlte es verspielt durcheinander. Seine Hände wanderten über ihren Leib und streichelten ihre Brüste.
»Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich liebe«, sagte er.
»Doch …« Ihr Flüstern brach ab. »Ich brauche nur zu spüren, wie sehr ich dich liebe.«
»Ich habe dich so vermißt. Ich war so einsam ohne dich.«
»Ich habe immer an dich gedacht. Du warst immer neben mir. Und in den Nächten –«
»In den Nächten habe ich mit dir gesprochen. So, als würdest du neben mir liegen. Ich habe laut mit dir gesprochen. Und ich habe dir erzählt, was am Tag alles geschehen ist, und dann war es, als würdest du in meinen Armen liegen, dich ganz fest an mich pressen und deinen Kopf auf meine Brust legen. Mit diesem Gefühl bin ich jede Nacht eingeschlafen, und wenn dann der Morgen kam und ich aufwachte und allein im Bett lag, überfiel mich eine grenzenlose Einsamkeit, die mir manchmal den Atem nahm. Ich kann nicht mehr ohne dich sein, ich kann es nicht. Diese vergangenen Tage waren schrecklich für mich.«
Sie streichelte wieder seinen Nacken und seinen Kopf, der zwischen ihren Schenkeln lag, faßte unter seine Achseln und zog ihn über sich. Ein Glücksgefühl, in dem sie schwerelos zu fliegen glaubte, in dem sich alles Irdische auflöste und nur sein Atem und sein Körper in sie eindrangen, überwältigte sie.
Später schliefen sie, erschöpft und glücklich, die Arme fest um sich geschlungen, und sie wußten, daß diese Liebe einmalig war und ihr Leben veränderte.
Am nächsten Morgen waren die Yanomami, die Luise begleitet hatten, verschwunden, irgendwo im Regenwald, und keiner konnte sie mehr fragen, wo man sie finden könnte.
Es kam selten vor, daß Leonor, die hübsche Ziehtochter von Helena Batalha, am Abend allein durch Novo Lapuna ging, um eine Freundin zu besuchen oder in der Disko zu tanzen. Benjamim Bento oder Helena waren immer an ihrer Seite. Tagsüber stand sie hinter der Wäschetheke des Drugstore, verkaufte Hemden, Unterhemden, Shorts und Unterhosen an die wilden Kerle, wog auf einer kleinen Waage den Goldstaub ab, mit dem die meisten bezahlten, und überhörte geduldig all die Anspielungen und Zoten der Garimpeiros. Manch einer hätte sie gern gehabt, aber sie ließ sich auf nichts ein. Ruhig und bestimmt wehrte sie alle Annäherungsversuche ab.
An diesem Abend nun hatte Bento eine Sitzung mit den Bezirksvorstehern von Novo Lapuna, um die katastrophalen hygienischen Zustände zu besprechen, vor allem das Abwasserproblem.
Helena Batalha hatte für ihren Drugstore Nachschub bekommen. Drei Transportmaschinen, die auf der Piste von Novo Lapuna gelandet waren, hatten Kisten, Kartons, Säcke und Ballen mitgebracht, mit denen die Regale wieder aufgefüllt wurden. Es war eine lange Liste gewesen, die Helena nach Boa Vista geschickt hatte.
Mit zwei Angestellten war Helena also an diesem Abend damit beschäftigt, die Lieferungen auszupacken, mit Preisen auszuzeichnen und in die Regale zu verteilen. Mit saurer Miene saß Leonor im Wohnzimmer. Sie hatte ein schönes Kleid angezogen, die Haare mit einem Stirnband zurückgehalten, sie sah richtig süß aus, wie eine große Puppe aus dem Ballett ›Die Puppenfee‹, das kürzlich im brasilianischen Fernsehen gesendet worden war. Sie hatte sich mit drei Freundinnen in der Disko verabredet, aber nun hatten weder Bento noch Helena Zeit, sie hinzubringen. Um sie herum stapelten sich Kartons und Kisten, Dosen und Flaschen, Stoffballen und Säcke mit Reis, Nudeln, Mehl und Zucker.
»Was ist nun, Mama?« fragte sie. Sie nannte Helena Mama, seit sie bei ihr aufgenommen worden war. Ihre richtige Mutter hatte sie kaum gekannt, sie war in ihrer Erinnerung völlig verblaßt. Woher Leonor wirklich stammte, wußte niemand, auch sie selbst nicht. Es war Helenas Geheimnis. Sollte sie erzählen, daß Leonors Mutter in Manaus zwei Bürohäuser geputzt hatte und die Geliebte des Hausmeisters gewesen war
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