Das Regenwaldkomplott
oder Palmstroh war, noch aus selbstgesponnener Baumwolle oder geflochtenen Blättern. Wie konnten sie ahnen, daß diese Fotos der Beginn ihres Untergangs, der Anfang ihrer Ausrottung waren?
Zunächst, in den kommenden Jahren, lebten sie weiter wie in den vergangenen Jahrhunderten. Am Rio Parima, dort, wo die Missionsstation gegründet worden war, wurde das Land gerodet, fraßen sich heulende Motorsägen durch den Regenwald. Es fielen die Baumriesen, krachend und ächzend, als stießen sie Todesschreie aus, in das Unterholz. Oder ein Feuersturm wütete in dem Wald und vernichtete die bisher unberührte Natur, die Bäume und Sträucher, die Riesenfarne und die Tiere. Man nannte das Brandrodung.
Das war nichts Neues für die Yanomami. Sie selbst eroberten ihren kargen Lebensraum durch Verbrennen des Waldes, aber es war nur ein kleines Stück, ein Fleckchen, das sie zum Leben brauchten, wo sie Maniok und Gemüse anpflanzten, Baumwolle, Mehlbananen und Taro, eine Knollenfrucht, Eßbananen und Tabak. Auch die wichtigen Fruchtbäume wurden gepflegt, vor allem die Pupunha-Palme und die Pijiguão-Palme, deren schmackhafte Früchte besonders kalorienreich sind. Die Pflanzung einer Malocas-Siedlung ist selten größer als 200 mal 300 Meter, in dem unberührten, unendlichen Regenwald nur eine winzige kultivierte Stelle, die schnell wieder zuwächst, wenn die Yanomami, meist nach drei oder vier Jahren, weiterziehen und ein neues Shabono gründen. Denn dann ist der Urwaldboden ausgelaugt und gibt den Pflanzen keine Nahrung mehr.
Während die Mission ausgebaut wurde und auf breiten Booten Steine, Zement, Ziegel und Maschinen den Rio Parima hinaufgebracht wurden, erschienen immer öfter Yanomami-Indianer und sahen ohne Scheu den Bauarbeiten zu. Das Abbrennen des Waldes kannten sie, was sie aber maßlos erstaunte, was sie nicht begriffen, waren diese knatternden Dinger, die die Missionare in den Händen hielten und die sich in einen Baumstamm fraßen, die meterhohen Brettwurzeln durchtrennten und einen Baumriesen in kürzester Zeit fällten. Es war für sie ein Wunder. Sie kannten nur den Brand, und vor den bis zu fünfzig Meter hohen Baumgiganten standen sie voller Ehrfurcht. Aber die weißen Menschen mit ihren ratternden Sägen besiegten auch diese. Aus welcher Welt kamen sie?
Eines Tages sahen die Missionare erstaunt, wie sich eine Gruppe von Yanomami in Sichtweite der wachsenden Mission am Rio Parima eine große Maloca bauten, direkt am Ufer des Flusses und neben den Ausläufern der Missionsfelder, und mit der Rodung ihres Lebensraumes begann.
Die Mission bestand jetzt, Anfang 1967, aus fünf Personen: zwei Patres, eine Krankenschwester und zwei Hausgehilfen, italienische Handwerker aus Florenz und Bari, die alles konnten, vom Mauern bis zum Bohren nach Grundwasser für eine Wasserleitung. Der eine, Luigi, war sogar als Krankenpfleger ausgebildet.
»Die kennen wir doch!« sagte Pater Ernesto, als er von einem Besuch der neuen Malocas zurückkam. »Das ist der gleiche Stamm, den wir als allerersten entdeckt haben. Der Häuptling kam sogar auf mich zu, lachte und streckte mir seine Hand entgegen. Und dann boten sie mir einen Fladen aus Maniokmehl an.«
»Sie können sich nützlich machen«, antwortete Pater Franco, den man zum Leiter der Mission Santo Antônio berufen hatte. »Wir werden sie fragen, ob sie am Aufbau der Mission mithelfen wollen.«
Und die Yanomami taten es. Sie halfen bei der Pflanzung und lernten dabei, wie man einen Boden bearbeitet und pflegt, damit er gute Ernten bringt, und sie sammelten Wildfrüchte und brachten sie den weißen Menschen. Sie ließen sich zeigen, was man alles aus Holz machen konnte, wenn man die notwendigen Werkzeuge hatte, und als sie die ersten Handsägen und Eisenhämmer, die ersten Bohrer und Stecheisen, die ersten Schrauben und Nägel als Geschenke erhielten, begann für sie ein neues, wunderbares Leben.
Die Patres lernten die Sprache der Yanomami, aber kein religiöses Wort fiel; es gab keine Erzählung von Jesus und dem wahren Gott im Himmel, keine Predigt oder einen Bekehrungsversuch: Die Missionare von Santo Antônio praktizierten ein tätiges Christentum. Sie lehrten die Wilden mit Werkzeugen umzugehen, zeigten ihnen die neue Bodenbearbeitung, brachten ihnen das Fischen im Fluß bei, was sie nicht kannten, denn der Wald war ihre Welt gewesen, und gaben ihnen Vertrauen zum weißen Mann. Das war mehr wert als die Worte der Bibel.
Mit dem neuen Glauben wurden die Yanomami
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