Das Reich der Elben 01
hören außer dem Kreischen der geflügelten Affen.
Schließlich… Stille.
Eine Stille, die schlimmer war als alles zuvor.
Inzwischen hatten Sandrilas und sein Trupp das Felsplateau erreicht, auf dem der Kampf gewütet hatte.
Die Spuren waren unübersehbar. Große dunkle Flecken zeugten davon, dass viel Blut vergossen worden war.
Aber nirgends waren Tote zu finden.
Lediglich die abgeschlagene Pranke eines Geflügelten lag in einer Lache getrockneten Affenbluts. Ansonsten waren noch ein paar verstreut liegende Gegenstände zu finden, welche die Sieger nicht mitgenommen hatten, wahrscheinlich weil sie ihnen nicht wertvoll genug erschienen waren: der blutgetränkte Umhang eines Elben und ein Helm sowie ein magisches Amulett aus Ebenholz in Form eines Halbkreises, in das mehrere verschlungene Symbole geschnitzt waren. Außerdem fand sich ein zerbrochener Elbenbogen.
Zu Sandrilas’ Trupp gehörte auch der Hornbläser Merandil. Er hob das Amulett auf und reichte es Sandrilas. »Ich kenne nur zwei Männer, die solche Amulette tragen«, sagte er.
Sandrilas nickte. Ein grimmiger Zug trat in das Gesicht des Einäugigen. »Moronuir und Karandil!«, murmelte er. Die beiden Leibwächter des Elbenkönigs hatten Amulette dieser Art einst von Keandirs Vater erhalten. »Die magischen Zeichen sollten die Brüder vor Gefahr schützen. Aber offenbar war der Zauber nicht stark genug!«
»Seht es positiv, Prinz Sandrilas«, sagte Merandil. »Wir haben bis jetzt keine Toten gefunden – vielleicht sind unser König und seine Begleiter nur in Gefangenschaft geraten!«
Prinz Sandrilas’ Miene hellte sich keineswegs auf, obwohl ein paar der anderen Krieger diesen Gedanken für wahrscheinlich hielten; sie nickten beifällig.
»Wir sollten nicht länger warten, sondern die Suche fortsetzen!«, sagte ein anderer Elbenkrieger, der den Namen Thamandor trug. Sein Gesicht wirkte glatt und nahezu konturlos. Aber zwischen seinen Augen war zumeist eine kleine Falte zu sehen, die seinen Zügen den Ausdruck von Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit gab. Das Haar war schneeweiß. Thamandor galt als einer der besten Waffenmeister, die es je in der Geschichte der Elben gegeben hatte. Stets war er mit dem Gedanken beschäftigt, wie die Waffen der Elben verbessert werden könnten, und so war seine eigene Bewaffnung für elbische Verhältnisse ausgesprochen ungewöhnlich: Er trug auf dem Rücken ein Schwert von so monströser Größe, dass es unmöglich am Gürtel zu tragen gewesen wäre; unter normalen Umständen wäre ein Elb von Thamandors eher zierlichem Körperbau gar nicht in der Lage gewesen, eine derartige Klinge zu führen. Aber der Waffenmeister hatte mit einer besonderen Legierung experimentiert, die das Schwert so leicht machte, dass
Thamandor es sogar notfalls einhändig führen konnte. Hinzu kam, dass die Klinge natürlich bestens ausbalanciert war.
Noch ungewöhnlicher waren die beiden kleinen, einhändig abzufeuernden Armbrüste, die mit speziellen Haken an seinem Gürtel befestigt waren. Sie verschossen mit einer magischen Substanz versehene Bolzen, die beim Aufprall freigesetzt wurde und sich entzündete.
Schon oft hatte Thamandor gefordert, zukünftig alle Elbenkrieger mit seinen Erfindungen auszustatten, doch dies war an der konservativen Einstellung seines Volkes gescheitert.
Erst der Zwang der Notwendigkeit würde ihren Hochmut eines Tages brechen, dachte Thamandor – was ihn nicht davon abhielt, seine Waffen bis dahin ständig weiterzuentwickeln.
»Worauf warten wir also noch!«, rief er.
Einige der Krieger stimmten ihm zu, darunter der Bogenschütze Ygolas, der Fährtensucher Lirandil sowie ein Elbenkrieger namens Siranodir, der dafür bekannt war, dass er mit zwei Schwertern gleichzeitig kämpfte, weshalb man ihn
»Siranodir mit den zwei Schwertern« nannte; unter den Elben war es nämlich nicht unüblich, sich Namenszusätze zu geben, die ihre herausragendsten Fähigkeiten oder besondere Tätigkeiten, die sie für die Allgemeinheit erfüllten, zum Ausdruck brachten.
Prinz Sandrilas zögerte jedoch. Er sog die Luft durch die Nase ein, so als könnte ihm der Geruch dieses Ortes etwas darüber sagen, was mit König Keandir und seinen Begleitern geschehen war.
»Irgendetwas ist hier nicht so, wie es scheint«, sagte er.
»Ist das nur eine Ahnung?«, fragte Thamandor misstrauisch.
»Oder steckt etwas Fassbares dahinter?«
»Oft schon zeigte sich, dass zwischen Keandir und mir eine sehr starke geistige Verbindung besteht«, antwortete
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