Das Reich der Elben 01
Elbenkönigs zu einem unverständlichen Singsang.
»Branagorn?«, rief er nach dem ebenfalls verschwundenen jungen Elbenkrieger.
Mit der Schwertspitze berührte er vorsichtig die feuchte Felswand – wohl in der stillen Hoffnung, dass sich das Gestein ein weiteres Mal als durchlässig und nachgiebig erweisen würde.
Aber das war nicht der Fall.
Von dem Monstrum im See gingen glucksende Laute aus. Es schien sich von dem Stich, den Keandir ihm beigebracht hatte, einigermaßen erholt zu haben. Zumindest schloss der Elbenkönig dies aus dem Verhalten seines Gegners, denn das Ungeheuer belauerte ihn wieder und folgte ihm, blieb aber zunächst im See und in sicherer Entfernung.
Der See schien bei Weitem nicht die Tiefe zu haben, die Keandir angenommen hatte. Wahrscheinlich lag es an der undurchdringlichen Schwärze des Wassers, dass er gedacht hatte, ein tiefes Gewässer vor sich zu haben.
Der riesige Krebs hob seinen Körper mit den sechs deutlich gegliederten Beinen ein Stück aus dem Wasser. Er schabte die Scheren drohend gegeneinander.
Keandir ließ diese Kreatur der Finsternis nicht mehr aus den
Augen.
»Was habe ich dir getan, dass du so darauf aus bist, mich zu vernichten?«, fragte der König der Elben laut, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass dieses Geschöpf überhaupt einer Sprache mächtig war.
Die Kreatur tauchte wieder ein Stück unter, sodass gerade noch die rot glühenden Augen und der obere Panzer über der Wasseroberfläche lagen. Aus der unter Wasser liegenden Fressöffnung stieg giftiger Atem empor; Gasblasen zerplatzten an der Oberfläche und entließen grüngelbe Dämpfe.
Der stechende Geruch war für Keandir fast unerträglich.
Das Ungeheuer kroch vorsichtig auf den Elbenkönig zu. Keandir ging am Rand des Schicksalssees entlang. Er kletterte über ein paar Felsbrocken. Der Streifen am Rand des Sees wurde zunächst schmaler, dann erreichte Keandir ein breiteres Stück mit zahlreichen Tropfsteinen, die von der Decke hingen oder aus dem Boden wuchsen: Stalagmiten und Stalaktiten, die sich teilweise trafen und Säulen bildeten, sogenannte Stalagnate. Ein flimmerndes, unruhiges Leuchten ging von ihnen aus. Die Unebenheiten auf dem feuchten Stein warfen Schatten, die wie feine Zeichnungen wirkten. Zeichnungen, in denen man alles Mögliche erkennen konnte. Sie bildeten Linien, Gesichter, Gestalten.
Keandir wandte den Blick ab, denn er befürchtete, dass sich sein Geist darin verlieren konnte.
»Warum so furchtsam?«, dröhnte auf einmal eine geisterhafte Stimme. Obwohl sie vielfach durch die Höhle widerzuhallen schien, erkannte Keandir, dass er sie nicht mit seinen empfindsamen spitzen Ohren hörte, sondern dass der Sprecher in seine Gedanken eingedrungen war.
Im ersten Moment dachte er, es wäre der Augenlose Seher, der die Worte an ihn gerichtet hatte. Dann aber war sich Keandir nicht mehr sicher.
Die Kreatur verfolgte ihn, schnellte aus dem Wasser und griff ihn erneut an. Die Scheren schnappten nach ihm, und Keandir schlug mit dem Schwert in seiner Linken zu.
Der Riesenkrebs war nun sehr viel vorsichtiger. Im Licht der leuchtenden Tropfsteine war auch deutlich zu sehen, wie schwer er durch Keandirs Stich verletzt worden war. Seitlich der Fressöffnung klaffte eine Wunde, aus der noch immer pechschwarzer, zähflüssiger Schleim quoll. Gleichzeitig hauchte das Monstrum dem Elbenkönig einen Schwall grüngelben giftigen Atems entgegen. Halb betäubt wich Keandir zurück.
Der Krebs folgte ihm, und mit der linken Schere erwischte er Keandir am Bein, schnitt durch das widerstandsfähige Leder seines Stiefels. Ein höllischer Schmerz durchfuhr den König.
Der Krebs hielt das Bein in seinem Scherengriff, dann ein heftiger Ruck, und Keandir verlor das Gleichgewicht. Das Monstrum zog ihn zu sich heran, während sich die Fresshöhle abermals öffnete, um giftigen Atem entweichen zu lassen.
Die sechs Beine des Monstrums stießen gleichzeitig nach vorn, sodass es auf seinem Unterpanzer über die glatten Steine am Ufer rutschte, auf das Wasser zu.
Keandir wurde mitgeschleift. Halb betäubt durch den Giftatem des Ungeheuers und beeinträchtigt durch seinen nutzlosen rechten Arm hatte er seinem Gegner in diesem Moment nichts entgegenzusetzen.
Das dunkle Wasser spritzte auf, als der Krebs den Elben in sein Element zog. Keandir krallte die Linke um sein Schwert. Nur die Waffe nicht verlieren… Das war alles, woran er während der letzten drei Herzschläge hatte denken können.
Das Monstrum hielt kurz inne, nur
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