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Das Reich der Elben 01

Das Reich der Elben 01

Titel: Das Reich der Elben 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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reicht meine Heilkunst aus, um den Zustand des Glücks wieder herzustellen, und dann bin ich gezwungen, dies auch zuzugeben, um keine falschen Hoffnungen zu wecken.«
Ruwen wusste nur zu gut, wovon Nathranwen sprach. Während der langen Irrfahrt hatte sich unter den Elben mehr und mehr jene Krankheit ausgebreitet, die man Lebensüberdruss nannte. Eine Krankheit, die nichts mit körperlichen Gebrechen zu tun hatte, sondern die eine Krankheit der Seele war. So mancher Elb war ihr schon zum Opfer gefallen, und die Heilkundigen unter den Elben hatten allzu oft nur tatenlos zusehen können. Kaum einem der von dieser Seuche Betroffenen hatte man helfen können, und so hofften viele, dass die Nachricht von der Entdeckung des neues Landes vermochte, was den Elbenheilern bisher vergönnt gewesen war: die selbstverzehrende Krankheit des Lebensüberdrusses, die immer heftiger um sich griff, endlich zu besiegen.
Nathranwen berührte Ruwen leicht am Arm, doch diese zuckte förmlich zusammen. Ihre ohnehin hochempfindlichen Sinne schienen auf einmal übersensibel. Erst nach ein paar
tiefen Atemzügen beruhigte sich ihr Herzschlag wieder, während die Schreie der geflügelten Affen leise von der Küste herüberdrangen.
»Was liegt Euch noch auf dem Herzen, Ruwen?«, fragte Nathranwen sanft. »Ich spüre, dass da etwas ist. Denn so, wie ich meine leisen Zweifel um die Zukunft nicht vor Euch verbergen kann, so wenig könnt Ihr vor mir Eure tiefe Verwirrung geheimhalten. Und da Ihr so viel von Zeichen des Schicksals gesprochen habt, glaubt Ihr anscheinend, Euch wurde ein schlimmes Zeichen offenbart.«
Ruwen war zunächst erstaunt, dann nickte sie. »Ja, Ihr habt mich durchschaut, Nathranwen, und erkannt, was mich bewegt.«
»Und was für ein Zeichen war es?«
»Es war ein Traum, in dem ich zwei Elbenkrieger sah, die sich im Kampf gegenüberstanden. Sie sahen vollkommen gleich aus, ihre Kleidung, die Gesichtszüge. Selbst der Klang ihrer Stimmen war gleich. Das Einzige, was sie unterschied, waren die Waffen, die sie benutzten.« Ruwen schaute Nathranwen an, und ihr Gesichtsausdruck war fragend und bestürzt zugleich.
»Fahrt fort, Ruwen!«, forderte die Heilerin.
»Sie kämpften nicht mit Schwertern oder anderen unter Elben gebräuchlichen Waffen. Stattdessen benutzten sie magische Stäbe, aus denen Flammen und Blitze zuckten. Der Stab des einen war aus dunklem Ebenholz; er wies zahlreiche Schnitzereien auf, die fratzenhafte Dämonengesichter zeigten, und an der Spitze war ein auf die Größe einer Faust geschrumpfter Totenschädel angebracht. Der Stab des zweiten Kriegers war hell und von einer Lichtaura umgeben, so als wäre er aus einem leuchtenden Material gefertigt. Auch er wies diese absonderlichen Schnitzereien auf, aber an seiner Spitze
befand sich das goldene Abbild eines Affen mit gespreizten
Flügeln.«
»Ähnlich diesen Schattenkreaturen, die in den Felsspalten dieser Küste hausen?«, fragte die Heilerin.
»Ja, Nathranwen. Nur dass dieser Goldaffe viel kleiner war. Ab und zu erwachte er aus seiner Erstarrung und bewegte sich. Dann schleuderte er Lichtbälle, die in seinen Handflächen entstanden waren.«
»Ein sehr seltsames Zeichen, das Ihr da empfangen habt«, meinte Nathranwen.
»Aber auch Ihr zweifelt nicht daran, dass es tatsächlich ein
Zeichen ist?«
»Das ist es mit Sicherheit«, bestätigte die Heilerin. »Beachtet weiterhin Eure Träume und berichtet mir davon, Ruwen.«
»Über die Bedeutung wollt Ihr mir nichts verraten, Nathranwen?«, fragte die Königin.
Die Heilerin antwortete nur ausweichend. »Ich fürchte, ich weiß noch nicht genug, um die Bedeutung wirklich zu erfassen. Die beiden Männer, die sich so sehr glichen, müssen Brüder gewesen sein, Zwillinge vielleicht. Habt Ihr ihre Gesichter gesehen?«
»Ja«, flüsterte Ruwen, »und ihre Züge ähnelten denen unseres Königs so sehr, dass…« Sie sprach zunächst nicht weiter, sondern schluckte schwer. Dann sah sie Nathranwen an und sagte: »Versteht Ihr nun, weshalb ich so in Sorge bin? Was hat es mit diesem Kampf der Brüder auf sich, die meinem Gatten so sehr gleichen, dem König der Elben?« Wieder berührte sie ihren Bauch. »Ich nehme an, der Traum ist symbolisch zu verstehen, schließlich ist eine Zwillingsgeburt unter uns Elben derart selten, dass ich nicht annehmen kann, dass… nun ja…« Sie sprach nicht weiter. Vielleicht fehlten ihr die richtigen Worte. Vielleicht war es die Angst vor dem Unfassbaren, dass ihr die Stimme versagen

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