Das Reich der Katzen (German Edition)
so
elegant fortzubewegen. Sie kam sich wie die sprichwörtliche Matrone neben einer
zierlichen Elfe vor. Und mit jedem Schritt, den sie machte, sank ihr Mut. Sie
warf einen Blick zur Seite. Fleurs starres Katzengesicht erinnerte sie an die
toten Gesichter der Barbie-Puppen, mit denen Saschas Nichten immer spielten,
wenn sie zu Besuch kamen.
Sie erreichten den Waldrand. Fleur verharrte. Unschlüssig sah sie
sich um.
»Was ist los?«, wiederholte Onisha ihre Frage.
Und endlich erhielt sie eine Antwort. »Ich weiß nicht, ob wir
durch den Wald der wandernden Schatten gehen sollen ... Ich habe so ein
komisches Gefühl ... Es wäre besser, umzukehren ... aber ich muss ...« Sie
verstummte erschrocken, als hätte sie schon zu viel verraten.
»Dann lass uns einen anderen Weg nehmen«, schlug Onisha vor.
Fleur warf ihr einen merkwürdigen Blick zu. »Wenn das so einfach
wäre. Aber das ist es leider nicht. Es gibt Dinge ...« Sie brach erschrocken
ab. »ICH muss durch diesen Wald ... Wenn du nicht mitgehen willst, ist das
deine Sache«, sagte sie dann kurz angebunden.
Das machte Onisha wütend. Was fiel dieser Herumtreiberin
eigentlich ein? Sie spielte sich wie eine Piratenbraut auf, die Befehle gab und
Onisha dabei im Ungewissen ließ, in welches Unglück sie womöglich lief. Onisha
öffnete das Maul und wollte gerade protestieren, als sich Fleur wieder in
Bewegung setzte.
Nach wenigen Metern erreichten sie die erste Baumreihe und Onisha
kam es vor, als ob sie eine unsichtbare Grenze überschritten.
Die Grenze zu einer anderen Welt.
Der Wind schrie plötzlich wie eine gequälte Seele auf. So laut,
dass Onisha heftig zusammenzuckte. Aber sie hatte keine Zeit, sich ihren
Ängsten hinzugeben, denn sie hatte Mühe, Fleur zu folgen, die es mit einem Mal
sehr eilig hatte. Onisha sah sich furchtsam um. Von dem Wald ging die Aura des
Bösen aus. Auch wenn es nicht greifbar war, so war es doch da: das Böse, das
bisher Onishas Leben verschont hatte. Es fröstelte sie. In ihrem Kopf war nur
ein einziger Gedanke: nichts wie weg! Sie wollte sich herumdrehen und Fleur auffordern,
den Wald wieder zu verlassen. Aber irgendetwas trieb diese in den Wald hinein.
Und Onisha hinterher.
Fleurs Verhalten gab Onisha Rätsel auf. Was weißt du schon von
ihr?, wisperte eine leise Stimme hinter ihrer Stirn. Sie ist eine
Herumtreiberin. Wer weiß, vielleicht lockt sie dich geradewegs in eine Falle.
Blödsinn, rief sich Onisha zur Ordnung, was hat sie denn davon?
Nichts! Aber ein leiser Zweifel blieb. Im Unterholz knackte und raschelte es.
Onisha machte einen erschrockenen Satz nach vorn. Fleur lachte laut, als sie in
die angstvoll aufgerissenen Augen der Perserkatze sah. »Irgendwann kippst du
mir noch aus den Latschen. Was bist du nur für ein Angsthase!«
»Ist das ein Wunder? Erst schleichst du flach wie ein Pfannkuchen
durch die Gegend und vermittelst mir den Eindruck, dass mit dem Wald
irgendetwas nicht stimmt ...«
»Das ist auch nicht von der Pfote zu weisen.«
»Das auch noch«, stöhnte Onisha. »Dachte ich es mir. Ich habe
schon die ganze Zeit das
Gefühl ...«
»Du auch?«, stieß Fleur hervor. Onisha nickte. »Wenn selbst du es
spürst«, fuhr Fleur wie in Gedanken fort. »Dann ...«
»Was heißt das denn schon wieder? SELBST du ...« Onisha verzog
beleidigt das Gesicht.
Fleur stieß einen spitzen Laut aus. »Sei nicht so empfindlich.«
Dann wurde sie schlagartig ernst. »Wir sollten hier nicht ungeschützt
herumstehen.«
Onisha stimmte Fleur zu. »Wenn ich an die merkwürdigen Schatten
denke, die ich gesehen
habe ...«
Fleur fuhr herum. Ihr Blick sagte: Du auch? Leise stieß
sie hervor: »Lass uns lieber weitergehen!«
Und Onisha gehorchte widerspruchslos.
Aber nach wenigen Minuten war es damit schon vorbei. »Meine
Pfoten tun weh!«, beschwerte sie sich.
Fleur warf ihr einen schrägen Blick zu. »Kein Wunder!«
Onisha blickte auf ihre Krallen. «Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass es kein Wunder ist bei den langen Dingern,
dass du schon nach kurzer Zeit schlapp machst.« Fleur stieß einen schrillen
Laut aus. »Geh an den nächsten Baum und wetz dir die Dinger mal ab. Für lange
Märsche sind die nicht geeignet. Allenfalls für ein Kaffeekränzchen. Und selbst
du solltest allmählich begriffen haben, dass es das hier draußen nicht gibt.«
»Pah!« Onisha verzog beleidigt das Gesicht. »Meinst du, es ist
angenehm, nichts zu fressen zu haben und kilometerweit über harten Boden zu
marschieren? Das
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