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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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weiterschob, ihre Hände eisern auf den Rücken gepresst, öffnete sich knarrend Ragnars Zellentür.
    Bitte, tu ihm nichts ,flehte sie stumm.
    Am Aufgang zu einer schmalen steinernen Treppe hielt Ruven an, beugte sich zu ihrem Ohr und zischte: »Kein Wort von Kian, er hat deinetwegen schon genug Schwierigkeiten.«
    Verwundert drehte sie sich um, blickte in sein verbissenes Gesicht und wusste überhaupt nicht, was das alles zu bedeuten hatte.
    Der zweite Wächter tauchte kurz darauf ohne Ragnar auf, und die beiden führten Lena stumm eine endlos erscheinende Treppe hinauf, folgten anschließend einem düsteren Gang, danach traten sie ins Freie. Lena blinzelte im hellen Sonnenlicht. Sie befanden sich auf einer schmalen Straße. Rechts und links erhoben sich einfache Holz- oder Steinhäuser, einstöckig und mit Stroh oder Schilf gedeckt. Eine von stämmigen Pferden gezogene Kutsche holperte vorbei, Frauen mit Körben auf dem Rücken gingen an ihnen vorüber, tuschelten und sahen ihnen nach.
    »Wo sind wir hier?«, wagte Lena zu fragen.
    »Erborg«, knurrte Ruven. Alles Charmante und Draufgängerische war von ihm abgefallen, jetzt gab er sich als ernster, pflichtbewusster Krieger.
    »Aber dort sollte ich doch sowieso hin«, wunderte sie sich. »Wozu dieses ganze Theater?«
    »Sei still!« Brutal stieß Ruven Lena in den Rücken, woraufhin sie beinahe gestürzt wäre.
    Am liebsten hätte sie Ruven zwischen die Beine getreten, doch das hätte ihr nur noch mehr Ärger eingebracht.
    Sie gelangten zu einem Marktplatz, wo ein hölzernes Podest stand. Ein Galgen ,schoss es Lena durch den Kopf. Schlagartig wurde ihr kalt. Ruven brachte sie schnurstracks zu einem der drei Holzgestelle, nahm einen herunterbaumelnden Strick – und band ihre Hände daran fest. Sie atmete auf, doch die Erleichterung währte nur kurz, als sich mehr und mehr Menschen versammelten und sie allesamt angafften. Nach einiger Zeit wurde auch Ragnar herbeigeschleppt. Jetzt, bei hellem Tageslicht, sah sein Gesicht noch schlimmer aus: blutig, das rechte Auge zugeschwollen. Ruven und der andere Wächter banden ihn mit Stricken an jeweils einer Hand an den Balken. Dennoch versuchte er, ihr aufmunternd zuzulächeln.
    Was haben sie nur mit uns vor? ,dachte sie. Lena suchte die Menge nach Kian ab, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Hatte er sie am Ende etwa doch verraten? Das mochte sie nicht glauben, denn sie hatte das Gefühl gehabt, er wäre ehrlich und sie hätte in ihm einen Freund gefunden. Dann blieb ihr Blick auf einem Mann mit auffälligem Wangenbart haften – Ureat. Der Älteste von Talad sah kurz zu ihr hinauf, wandte sich dann aber ab.
    »Feigling«, knurrte Lena.
    »Macht Platz für die ehrenwerten Fürsten von Erborg und Crosgan!«, ertönte da eine laute Stimme. Ein Krieger schlug auf seinen Schild, die Menge teilte sich. In pelzbesetzten Umhängen und aufwendigen Gewändern schritten sie einher: Nemetos, Elgetia und an ihrer Seite ein Mann, der Fürst Orteagon verblüffend ähnlich sah.
    Lena warf Ragnar einen irritierten Blick zu, doch auch er wirkte verwirrt. »Ragnar, wer ist das?«, flüsterte sie.
    »Ich weiß es nicht. Er sieht aus wie Orteagon, aber der ist ja bei Maredd …« Ragnar brach ab, betrachtete den Mann nur mit offenem Mund. »Es sei denn …« Er schüttelte den Kopf.
    »Es sei denn, was?«, drängte Lena.
    »Schweig!«, schrie sie einer der Wärter mit scharfer Stimme an.
    Wer auch immer da auf sie zukam, war – wie Orteagon – von hagerer Gestalt, fast schon knochig, und wirkte trotz des beeindruckenden Schnurrbarts verhutzelt. Seine Augen jedoch straften seine körperliche Erscheinung Lügen, denn List und Tücke sprachen aus ihnen, ebenso wie ein klarer Verstand.
    Genau diese Augen musterten Lena und Ragnar, während er bis auf zwei Schritte an die beiden herantrat.
    Dann wandte er sich an das Volk. Auf eine Handbewegung von ihm hin verstummte das aufgeregte Gemurmel.
    »Da, seht sie nun, die Verräter!«, rief er mit fester Stimme.
    Schreie ertönten, Fäuste reckten sich in die Höhe. Orteagons Doppelgänger begann auf und ab zu schreiten, sein dunkelgrüner Mantel schleifte über den Boden. »Mit falschen Versprechungen haben sie versucht, sich unser Vertrauen zu erschleichen. Doch die Tuavinn beabsichtigten nur eines«, rief er aus, legte eine Kunstpause ein, zog blitzschnell sein Schwert und hielt es Ragnar an die Kehle.
    »Nein!«, schrie Lena voller Panik. Sie zerrte an ihrem Strick, doch der schnitt nur

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