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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Lena zu sagen, wobei sie auf ihre Jeans und den Pullover deutete.
    »Ich werde dir angemessene Gewänder bringen lassen, in denen du in dieser Stadt weniger auffällst.« Kopfschüttelnd blickte der alte Mann auf die ihm fremden Kleidungsstücke, aber Lena nahm ihre Sachen dennoch an sich. Selbst wenn es jeglicher Logik entbehrte, vermittelte es ihr ein Gefühl von Sicherheit, diese letzten Überbleibsel aus der ihr bekannten Welt bei sich zu haben.
    Nach und nach erhoben sich die Ratsmitglieder, warfen Lena hier und da einen Seitenblick zu und sprachen leise miteinander. Am Ende standen nur noch Lena und Kian im Raum. Unruhig trat sie von einem Bein aufs andere, denn ihre Füße waren wegen des kalten Bodens zu Eisklumpen erstarrt. »Wo sind denn bitte meine Schuhe?«
    Suchend sah sich Kian um, dann zuckte er unsicher mit den Schultern. »Das kann ich dir leider nicht sagen.«
    Es dauerte nicht lange, und eine Frau in einem bodenlangen, grauen Kleid kam herein. Auf dem Arm trug sie ein Bündel Wäsche und ein Paar braune, halbhohe Lederstiefel.
    »Ich hoffe, ich habe alles passend ausgewählt«, sagte sie mit leiser Stimme und sah Lena neugierig an.
    Diese nahm die Kleider an sich, hielt sich den braunen Rock vor den Körper und stellte unzufrieden fest, dass er viel zu lang war und sich am Boden bauschte. Trotzdem schlüpfte sie hinein, und als die junge Frau ihr einen groben Strick reichte, konnte Lena das Kleidungsstück zumindest festzurren. Auch die Tunika war deutlich zu weit, und sie kam sich vor, als würde sie in einem Kartoffelsack stecken. Zumindest passten die Schuhe halbwegs und waren überraschend weich, selbst ohne Socken.
    »Lass uns gehen«, meinte Kian mit einem zufriedenen Nicken. Er griff nach einem Schwert mit einem schwarzen, lederumwickelten Griff. Den Knauf zierten ineinander verschlungene Knoten, die silbern und goldfarben glänzten. So als hätte er es schon hundertmal getan, steckte Kian sich die Waffe in die Lederscheide an seinem Gürtel, dann öffnete er Lena die Tür. Sie folgten dem düsteren Gang, stiegen eine schmale Treppe hinauf, und nachdem Kian eine Klappe zur Seite gewuchtet hatte, hielt er Lena die Hand hin. Sie befanden sich nun in einem mit Pferdegeschirr, Körben, Gemüse und Gerätschaften zugestellten Raum. Wie es aussah, hatte Kian Lenas verwunderten Blick bemerkt.
    »Die Versammlung des Ältestenrates findet stets im Geheimen statt und immer an anderen Orten.«
    »Wenn ihr das für nötig haltet«, war Lenas knappe Antwort, denn etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
    »Die Menschen Elvancors sind sich nicht immer einig, es gibt sehr viel Unsicherheit und Verrat.« Er seufzte tief. »Unser Leben ist nicht einfach.«
    »Das Leben ist selten einfach.«
    Lena folgte Kian in eine enge Gasse. Helles Tageslicht ließ sie blinzeln, und sie schaute sich neugierig um. Die Häuser waren allesamt nicht sehr hoch, teils mit Schindeln, teils mit Stroh oder Gras gedeckt. Dafür standen sie jedoch dicht an dicht und erlaubten es Lena nicht, den Blick schweifen zu lassen. Erst als sie einen Hügel hinaufstiegen, wurden die Abstände zwischen den Gebäuden breiter. Sie traten auf einen mit grob behauenen Steinen gepflasterten Platz, wo einige Händler gerade ihre Waren auslegten. Ein Karren mit Obst und Gemüse rumpelte vorbei. Voller Verwunderung blickte Lena in den Himmel. Zu ihrer Linken strahlte eine Sonne vom blauen Firmament herab, ähnlich wie sie sie kannte, aber über der steilen, nackten Felswand, die direkt hinter der Stadt aufragte, hing diese gewaltige magische Triade, die sie abermals erstaunte. Wieder fragte sich Lena, wo Elvancor sich eigentlich befand, aber das war ein Geheimnis, das sie vermutlich niemals lösen würde. Also riss sie sich von dem faszinierenden Anblick los und wandte sich Kian zu. Dieser hatte sie offenbar beobachtet, und Lena zupfte peinlich berührt an ihren Klamotten herum. »Wo sind wir hier?«
    »In Talad, an den nördlichen Bergen von Avarinn.«
    Die nördlichen Berge von Avarinn – dort war sie laut Maredd über die Schwelle getreten. Hoffnung keimte in ihr auf, bald von hier verschwinden zu können. Nur musste sie einen Weg aus dieser Stadt finden. Von ihrem erhöhten Standpunkt aus konnte sie Talad gut überblicken. Die Siedlung war anscheinend nicht allzu groß, eher ein größeres Dorf für Lenas Empfinden. Ein Fluss wand sich am Westende Talads entlang. Hier auf dem Hügel gab es wenige, etwas großzügiger angelegte Häuser, außerdem

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