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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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wuchsen, anders als auf der Ebene, mancherorts Bäume und Büsche. Nach Norden hin war die Stadt durch die Felswand abgeschirmt, im Westen durch den Fluss. Bestimmt hatte man sie aus diesem Grund genau hier erbaut. Gut zu verteidigen und in der Nähe von Wasser.
    Lenas Blick wanderte zu den Bergen. Vielleicht konnte sie sich ja irgendwie dorthin durchschlagen – und hoffen, dass Ragnar und Maredd sie fanden.
    Als hätte Kian ihre Fluchtgedanken erahnt, fasste er sie am Arm. »Komm, du wirst hungrig sein.«
    »Eher durstig.« Erneut spürte sie jetzt, wie ihre Zunge am Gaumen klebte.
    Kian schob sie sanft in Richtung eines gemauerten Brunnens, dessen Rand Drachenreliefs zierten. Die geflügelten Kreaturen waren erstaunlich detailliert in den Stein gemeißelt. Die gezackten Schwänze, die schuppigen Körper, nadelspitze Zähne, die aus aufgerissenen Mäulern ragten. Auf einmal erinnerte sich Lena, dass Amelia erzählt hatte, hier gebe es tatsächlich Drachen, und ihr Blick fuhr zum Himmel. Doch nur einige Vögel kreisten über den Bergen. Nachdem Lena wirklich durstig war, schob sie alle Bedenken, was Bakterien oder Keime betraf, beiseite und schöpfte eine Handvoll Wasser aus dem Brunnen. Wunderbar sanft und erfrischend rann es ihre Kehle hinab, und auch wenn ihre Situation noch immer prekär war, so fühlte sie sich doch ein bisschen besser.
    »Lebst du schon lange in Talad, Kian?«
    »Als Kind lebte ich nicht hier«, stellte er richtig und deutete zu den Bergen. »Ich stamme aus einem kleinen Dorf im Osten, nahe dem Himmelsfluss. Wir wurden von Rodhakan überfallen, viele getötet, und dieÜberlebenden sind nach Talad geflohen.«
    »Das tut mir leid«, erwiderte Lena leise.
    Der junge Mann sah bedrückt aus, aber dann straffte er seine Schultern. »Dennoch lasse ich mich nicht unterkriegen. Meist halte ich mich in den Bergen auf oder erledige Botenritte nach Ceadd oder Crosgan. Städte kann ich nicht sonderlich leiden.«
    Etwas, das du mit Ragnar gemein hast , dachte Lena. Die Sehnsucht nach ihm drohte sie zu übermannen, und sie biss sich energisch auf ihre Lippe, um nicht in Tränen auszubrechen.
    Kian schien es dennoch zu bemerken, denn er sah sie mitleidig an. »Deine Erinnerung wird sicher zurückkehren.« Mit seiner kräftigen Hand streichelte er vorsichtig über die Beule an ihrem Kopf.
    Insgeheim musste Lena zugeben, dass Kian nicht einmal unsympathisch war. Auch wenn er hochgewachsen, muskulös und mit seinen Waffen am Gürtel zunächst nicht sehr vertrauenerweckend auf sie gewirkt hatte, strahlten seine Augen eine gewisse Freundlichkeit aus. Sein kantiges Gesicht wurde weicher, wenn er, so wie jetzt, lächelte. Er hatte sie zwar entführt, aber inzwischen bezweifelte sie seine guten Absichten nicht.
    »Kannst du mich nicht einfach gehen lassen?«, fragte sie.
    »Wo willst du denn hin? Ich dachte, du weißt nicht einmal, wo du herkommst.«
    »Schon«, gab sie zu, »aber …«
    »Du fühlst dich in der Stadt ebenfalls nicht wohl«, spekulierte er. »Möglicherweise bist du ja dann eine vom Bergvolk.«
    »Und was soll das Bergvolk sein?«
    »Auch sie stammen von jenen Kelten ab, die einst über die Schwelle hierherkamen. Allerdings vertreten sie andere Ansichten und haben sich keiner der Städte angeschlossen. Aus den Streitigkeiten zwischen deren Bewohnern und den Tuavinn halten sie sich heraus.« Kurz unterbrach er sich selbst, so als zögerte er fortzufahren. »Manch einer munkelt gar, sie würden sich eher auf die Seite der Tuavinn als auf die der Menschen schlagen, sollte es darauf ankommen.«
    »Ach wirklich?«
    Kian nickte. »Sie leben frei und wild in den Bergen. Meist haben sie nicht einmal Häuser, sondern schlafen in Höhlen oder unter freiem Himmel.«
    »Was im Sinne der Tuavinn wäre«, murmelte Lena vor sich hin und drehte sich dann erschrocken zu Kian um, doch dieser hatte sich glücklicherweise abgewandt, schöpfte gerade einige Hände voll Wasser aus dem Brunnen und trank.
    Anschließend bedeutete er ihr, ihm zu einem hölzernen Marktstand zu folgen, wo Brotfladen auf einem heißen Stein einen verführerischen Duft verströmten.
    »Gib uns zwei davon«, forderte er den jungen Mann mit dem roten Haar auf, der gerade neue Fladen formte und Stücke goldgelben Käses und Speckwürfel hineindrückte.
    Lena nahm eines der Brotstücke in die Hand und wechselte es rasch von einer in die andere Hand, da es noch heiß war. Dann biss sie hinein und stieß ein begeistertes »Hm« aus, denn die Fladen

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