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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Brustharnischen, goldverzierte Helme auf den Köpfen, die Gesichter völlig unbewegt und Lanzen in den Händen. Sie flankierten das gesamte, annähernd fünf Meter breite Tor. Lena konnte nur staunen, als sie ihren Blick von den starren Mienen der Wächter löste und den Platz hinter dem Durchgang betrat. Menschenmassen drängten sich zwischen den vielen Marktständen, aber die meisten Besucher hielten auf eine weitere, schätzungsweise hundert Schritt entfernte Mauer zu.
    »Folg mir.« Kian half Lena vom Wagen. »Die Kutschen werden länger benötigen, um durch den zweiten Verteidigungsring in die Oberstadt zu gelangen.« Er nahm sie an der Hand und geleitete sie durch das Gewimmel.
    Die zweite Mauer war weniger beeindruckend, eher schlicht gehalten und auch nicht ganz so breit. Hier wurden alle Besucher genau betrachtet und nacheinander durchgewinkt. Hinter dem zweiten Tor ließ erfreulicherweise das Gedränge nach. Auch hier gab es zahlreiche Marktstände, aber von dem zweiten Vorplatz aus zweigten mehrere Straßen in alle Richtungen ab, und die Menschen verteilten sich. Das alles erinnerte Lena an Mittelaltermärkte, die sie kannte, und war doch wieder anders – denn dieses Fest hier war nicht gespielt, nachgestellt, sondern Realität. Von den langen Roben hin bis zu den Waffen. Beeindruckend waren die dicht an dicht stehenden Häuser. Allesamt mit keltischen Mustern, Drachen oder anderen Reliefs verziert; selbst in die Türen hatte man meisterhafte Ornamente eingearbeitet. Junge Mädchen streiften mit Bauchläden voller Essen umher, und jeder durfte zugreifen. Und das tat Lena, denn sie hatte das Frühstück ganz vergessen. Zielsicher ging Kian durch die engen Gassen voran. Sie hätte überall stehen bleiben und die Baukunst bestaunen mögen. Anders als in Talad waren die Häuser deutlich größer, meist zweistöckig, manche in Turmform erbaut und mit Schindeln oder Ziegeln bedeckt.
    Die gesamte Stadt pulsierte geradezu vor Leben. Kinder rannten umher, Krieger in prächtigen Rüstungen, mit blank polierten Waffen an den Gürteln, Frauen und Männer in edlen Gewändern und mit kunstreichen Frisuren, in denen Lena hier und da sogar Edelsteine schimmern sah. »Wann findet denn dieses Triadenfest statt?«, wollte sie wissen.
    Kian hielt an, betrachtete sie, als hätte sie nicht alle Sinne beisammen, dann schüttelte er den Kopf. »Das hier ist das Triadenfest. Solange die magische Triade am Himmel steht, wird gefeiert. Menschen aus ganz Elvancor kommen in die Stadt, bringen Essen, Waren und Tiere. Jeden Abend treten die Fürsten vor das Volk, dann wird getanzt, Geschichtenerzähler gehen umher, Gaukler und Sänger üben ihre Kunst aus.«
    »Und das geht über mehrere Tage so?«, staunte Lena.
    »Selbstverständlich.« Für ihn schien das völlig normal zu sein, aber sie wunderte sich. Unter Umständen hing diese magische Triade über Wochen am Himmel, und wenn die ganze Zeit über derart verschwenderisch gefeiert wurde, mussten Unmengen an Nahrungsmitteln nach Ceadd geschafft werden und Teile der Bevölkerung den Rest des Jahres, oder wie auch immer sie es nannten, hungern. Aber vielleicht war auch alles ganz anders, als sie dachte. Lena fiel zumindest nicht auf, dass hier irgendjemand ärmlich gekleidet aussah. Nicht alle Gewänder waren prächtig, doch ungepflegt oder unterernährt wirkte niemand. Vielleicht ging dieses ungewohnte Konzept, von dem Kian ihr erzählt hatte, ja auf. Jeder nahm das, was er benötigte, und gab, was er konnte. Doch über solche Dinge wollte sie sich im Augenblick keine Gedanken machen, genoss die lebendige Atmosphäre, nahm hier ein Stück Brot oder Käse, dort einen Becher Wein, und wanderte mit Kian durch die Gassen Ceadds. Auffällig war, dass sich selbst gebrechliche Greise unter das Volk mischten, ganze Kutschen voll weißhaariger Männer und Frauen mit faltigen Gesichtern wurden durch Ceadd gefahren. Beinahe wie im St. Elisabeth, wo ich meine Sozialstunden ableisten musste ,dachte Lena, denn über die Hälfte der Stadtbesucher war äußerst betagt.
    »Sag, Kian«, begann Lena irgendwann, »darf ich mir hier auch einfach nehmen, was ich möchte?«
    »Ja, das darfst du.« Dann runzelte er die Stirn. »Wir wissen nicht, ob du aus Ceadd oder einer anderen Stadt stammst, und normalerweise sollte ein jeder seinen Beitrag zum Triadenfest leisten. Doch da du nicht weißt, wer du bist, wird niemand Anstoß daran nehmen, wenn du nimmst, was dir beliebt. Bis auf Waffen. Mein Onkel wäre

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