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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Baumkronen hinauf, hatte mehr denn je das Gefühl, von geisterhaften Augen beobachtet zu werden.
    Erst in der Morgendämmerung war Lena eingeschlafen, und daher fühlte sie sich reichlich zerschlagen, als Kian sie weckte. Viele ihrer Mitreisenden saßen schon auf ihren Wagen oder hoch zu Ross, während sie noch ihre Sachen zusammenpackte.
    »Ich könnte Lena durch Ceadd führen«, bot Ruven sogleich an. Er hielt sein Pferd am Zügel, sah bewundernswert ausgeschlafen aus, das Gesicht frisch rasiert, die schulterlangen Haare an den Seiten zu Zöpfen geflochten und im Nacken mit einem Lederband befestigt. Der braune, mit Nieten besetzte Lederpanzer, den er über einem hellen Hemd trug, glänzte geradezu, und auch seine kniehohen Stiefel hatte er geputzt. Insgesamt stellte er eine beeindruckende Erscheinung dar.
    »Nichts dergleichen wirst du tun«, knurrte Kian. »Ich bin für sie verantwortlich.«
    »Ich könnte Onkel Ureat bitten, dass er mir Lenas Bewachung überträgt.« Der junge Krieger streckte sich, auch wenn er seinen älteren Bruder ohnehin schon um ein paar Zentimeter überragte. »Schließlich werde ich bald der Wache von Ceadd beitreten.«
    Kian hielt den Kopf gesenkt und prüfte den Sitz seines Schwertes. »Wenn es nur schon so weit wäre«, hörte Lena ihn murmeln. Dann sah er jedoch auf, und als er laut weitersprach, rang er spürbar um Gelassenheit. »Ich werde meinen Pflichten nachkommen und auf Lena achten. Du solltest die deinen wahrnehmen und unseren Zug beschützen. Als zukünftige Wache von Ceadd ist es nur angemessen, deine Aufgabe ernst zu nehmen.«
    Ruven schnaubte lediglich arrogant. »Wir haben die Stadt beinahe erreicht. Niemand wird uns behelligen.«
    »Jetzt hört doch auf zu streiten«, mischte sich Lena ein. »Ich bleibe bei Kian.«
    »Ehrlich gesagt, glaube ich kaum …« Ruven wurde unterbrochen, als eine herrische Stimme von vorne rief: »Aufbruch! Ruven, sieh zu, dass du dich an die Spitze setzt!«
    Während Ruven mit den Zähnen knirschte, sich jedoch auf sein Pferd schwang, grinste Kian triumphierend. Nachdem sein Bruder davongetrabt war, raffte der junge Mann eilig Lenas Sachen zusammen. »Komm jetzt, du kannst auf dem Wagen dein morgendliches Mahl zu dir nehmen.«
    Langsam setzte sich der Zug in Bewegung. Es musste noch früh am Tag sein, denn nur wenig Licht drang durch die Bäume. Der Eibenwald machte auf Lena auch heute einen bedrohlichen Eindruck. Keine Tiere kreuzten ihren Weg, nicht einmal Gräser oder Moose bedeckten den Boden, keine Blume war zu sehen. Stattdessen hatte sie das Gefühl, als würden Schatten durch die Bäume huschen, sie verfolgen und beobachten.
    Es scheint so, als würde irgendetwas alles andere am Wachsen hindern ,schoss es Lena durch den Kopf.
    »Sag mal, Kian, weshalb hat sich dein Bruder eigentlich so herausgeputzt?«, fragte sie, um sich abzulenken.
    »Sicher will er einige Mädchen beeindrucken, wenn er in Ceadd einreitet.« Kian schnaubte verächtlich. »Es hätte auch ausgereicht, wenn er sich zum Triadenfest seine besten Kleider angezogen hätte. Aber nein, Ruven muss alle übertrumpfen.«
    Nun bereute es Lena, davon angefangen zu haben, denn Kian schimpfte in einem fort über seinen Bruder. Stetig stieg der Weg an, und bald bemerkte sie, dass von anderen Seiten weitere Menschen herbeiströmten, von Pfaden rechts und links ihres Weges.
    »Du solltest deine Kette gut verborgen tragen«, riet Kian ihr. Als Lena fragend die Stirn runzelte, erklärte er: »Es könnten Menschen aus Crosgan hier sein. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Amulette der Vorfahren zu sammeln, und schrecken nicht selten vor Diebstahl oder gar Mord zurück.«
    Eilig zog Lena ihre Tunika fester zu und beäugte die Reisenden argwöhnisch. Wie sollte sie herausfinden, wer aus Crosgan kam? Sie war froh um Kians Schutz, denn ihm würde sie im Ernstfall mehr vertrauen als diesem Kindskopf von Ruven, selbst wenn er der bessere Krieger sein sollte.
    Nach einer Weile erreichten sie einen mit groben Steinen gepflasterten Weg. Dieser führte auf ein haushohes Tor zu. In den dunkelgrauen Stein, aus dem auch die Stadtmauer bestand, waren kunstvoll verschlungene Muster gemeißelt. Viele ähnelten den keltischen Symbolen, die Lena aus ihrer Welt kannte, was ja nicht verwunderlich war. Einige zeigten Drachen, andere Blätter und Blumen, in prachtvolle Ranken verwoben. Vor den Mauern standen Wachen. Hochgewachsene Männer und auch einige Frauen, in silbernen oder bronzefarbenen

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