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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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anhielt, prallte sie gegen seinen Rücken.
    »Was ist?«, flüsterte sie.
    Er nahm sie an der Hand, deutete nach vorne, und Lena riss ihre Augen auf. Der Waldrand war nicht mehr weit entfernt, wie sie an dem etwas helleren Lichtschimmer, den die Gestirne warfen, erkennen konnte. Doch genau dort, wo sie diesen unheimlichen Wald endlich hätten verlassen können, standen Gestalten. Schemenhaft, ihre Form verändernd, hatten sie sich nebeneinander aufgebaut.
    »O verdammt«, hauchte Lena. »Rodhakan!«
    »Rodhakan sind wir nicht, Mädchen von jenseits der Berge«, sprachen auf einmal alle Wesenheiten gleichzeitig, zumindest schien es Lena so. Ihre Stimmen waren überall, vor ihr, hinter ihr, selbst in den Bäumen wisperten sie. Die Gestalten kamen näher, und Lena achtete gar nicht weiter auf Kian, der sie verwundert musterte.
    »Was … seid ihr dann?«, wagte sie zu fragen.
    »Die Geister, die Seelen der Eiben«, ertönte die Antwort, und nun glitt eine der Kreaturen näher. Sternenlicht fiel auf ein ungewöhnliches Wesen. Seine Erscheinung bestand von Kopf bis Fuß aus kleinen grünlichen Blättern, die leise raschelten. Rötliche Beeren bildeten die Augen, und sogar Wimpern, wie ganz feine Härchen auf den Blättern, waren zu sehen. Den Kopf zierten spitze Nadeln und erinnerten Lena an einen Kranz. Der Eibengeist mochte sicher an die drei Meter groß sein, und Lena verspürte den Drang fortzurennen, aber Kian drückte beruhigend ihre Hand.
    »Sie werden uns nichts tun, sie sind die Beschützer Ceadds.«
    »Solange kein Tuavinn unter euch ist, verschonen wir euch«, bestätigte auch der Eibengeist, aber Lena erschien es, als würde er bis in ihr Innerstes sehen und ganz genau wissen, dass sie eine Freundin der Tuavinn war.
    »Sagt, Herren der Eiben«, Kian verneigte sich, »sind andere Menschen in der Nähe? Sie verfolgen uns.«
    »Die Belange der Menschen sind nicht die unseren. Dennoch kann ich dir sagen, dass ihr hier die einzigen seid«, zischte ein anderer Eibengeist. Es klang wie Wind, der durch trockenes Laub fuhr.
    »Wir danken euch vielmals, Herren der Eiben.« Schon zerrte Kian Lena vorwärts.
    Zu ihrer Überraschung teilten sich die Eibengeister, ließen sie passieren, auch wenn ihr alles andere als wohl dabei war, geradewegs durch diese Wesen durchzulaufen. Aber schließlich erreichten sie freies Feld, und Lena atmete befreit auf.
    »Noch sind wir nicht außer Gefahr«, warnte Kian. »Wir müssen zu den Bergen.«
    Also rannten sie weiter durch die Nacht. Lena war froh um das leichte Glimmen, das wie immer aus den Bergen kam, und auch Sterne, die Triade und die beiden Monde spendeten Licht. Anstrengend war diese nächtliche Flucht trotzdem, und jedes Mal, wenn Lena glaubte, die westlichen Berge wären schon ganz nahe, tat sich hinter dem nächsten Hügel ein weiterer auf, den sie erklimmen mussten. Zumindest rannte Kian jetzt nicht mehr, behielt jedoch ein strammes Tempo bei. Als er endlich an einem Bachlauf anhielt, kroch die Sonne bereits über den Horizont, überschwemmte das Land mit ihrem sanften Morgenlicht. Lichtpunkte tanzten über dem Bach, der sprudelnd aus den Bergen floss. Lena ließ sich einfach an Ort und Stelle fallen, schöpfte mit den Händen gierig von dem klaren, wunderbar erfrischenden Wasser und legte sich dann lang ausgestreckt ins weiche Gras.
    »Ich bin echt fertig«, stöhnte sie. »Selbst wenn jetzt alle Rodhakan Elvancors auftauchen würden, könnte ich nicht mehr aufstehen.«
    Auch Kians Gesicht glänzte vor Schweiß, er hielt seinen Kopf ins kühle Nass, schüttelte seine Haare aus und schnitt eine Grimasse. »Glaub mir, sollten Rodhakan hier erscheinen, dann würdest du rennen.«
    »Meinst du, es sind welche in der Nähe?« Lenas Augen suchten den nahen Waldrand ab.
    Sie befanden sich unmittelbar vor den westlichen Ausläufern der Berge von Avarinn. In der Gegenrichtung konnte Lena noch schemenhaft den markanten Hügel Ceadds mit dem düsteren Eibenwald erkennen. Trotzdem mussten sie in dieser Nacht ein gewaltiges Stück des Weges hinter sich gebracht haben.
    Mit einem erschöpften Seufzen legte sich Kian ebenfalls ins Gras. »Nein, ich denke nicht. Rodhakan sind Schattenkreaturen. Sie fürchten den Tag zwar nicht direkt, kommen jedoch lieber in der Dämmerung oder bei Nebel heraus. Dann verschmelzen sie mit der Umgebung und können besser angreifen.«
    Bei diesen Worten bekam Lena eine Gänsehaut, aber sie hoffte darauf, dass Kian recht behielt. Jetzt war Tag, die Sonne

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