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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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bezeichnen«, warf Ragnar scharf ein. »Aber sie respektieren uns als die Hüter und Bewacher der Schwelle, die wir sind.«
    »Und deshalb haltet ihr euch für die Herren über Leben und Tod?«, schoss Kian sogleich zurück.
    »Nein, aber es ist nicht natürlich für einen Menschen, auch nicht für einen Fürsten, über so viele Generationen in Elvancor zu herrschen, ohne in die Ewigkeit weiterzugehen.«
    »Und das willst du entscheiden können?« Kians Hand wanderte zu seinem Schwert.
    Lena richtete sich auf, da sie fürchtete, das Gespräch könne eskalieren, denn auch Ragnars Haltung drückte nicht gerade Versöhnlichkeit aus. Im Moment erinnerte er an einen Bussard, der eine Maus entdeckt hatte.
    »Schon immer waren die Tuavinn die Wächter der Schwelle«, fuhr Ragnar fort. »Ihnen ist ein langes Leben gegeben, damit sie sich dieser Aufgabe voll und ganz widmen können. Elvancor ist ein Reich, das dem Einzelnen helfen soll, sich weiterzuentwickeln. Wesen, die nach Elvancor kommen, sollen ein Leben in Harmonie mit sich und der Natur führen, um auf diese Weise wieder zu sich selbst zu finden. Tun sie das, gelangen sie von selbst zu der Einsicht, dass sie weiterziehen müssen.«
    »Was redest du da?«, unterbrach ihn Kian. »Wir müssen uns nicht finden und sind, wer wir sind. Und wir haben uns entschlossen hierzubleiben.«
    »Du verstehst nicht!«
    »Ich verstehe sehr wohl!«, schimpfte Kian.
    »Bitte, Kian! Lass Ragnar ausreden. Mich interessiert, was er zu sagen hat.« Lena warf Kian einen bösen Blick zu, ehe sie Ragnar aufmunternd zunickte.
    »Die Vision eines Tuavinn veranlasste unser Volk, in die andere Welt, Lenas Welt, zu gehen, um Auserwählte nach ihrem Tod nach Elvancor zu geleiten. Hier sollten sie lernen und zu großer Weisheit finden, damit sie genau dieses Wissen bei ihrer Wiedergeburt in die andere Welt weitergeben konnten. So sollten alle Menschen sich zu einer höheren Reife entwickeln und die Dinge, die sie umgeben, mit Respekt behandeln. Du weißt das, Lena.«
    Sie nickte.
    »Doch dann begingen die Tuavinn den Fehler, viele Lebende des Keltenvolkes mittels magischer Amulette nach Elvancor zu bringen. Anstatt sich jedoch dem Zyklus des Reifens zu beugen und weiterzuziehen, haben sie sich hier festgesetzt und leben ihr altes Leben einfach weiter, ohne sich zu entwickeln. Sie verschandeln Elvancors Antlitz mit riesigen Städten, berauben die Erde ihrer Schätze. Allen voran stehen die Keltenfürsten, die ihr uraltes Stammessystem aufrechterhalten, und die Menschen sind ihnen hörig.«
    »Bis auf das Bergvolk«, murmelte Lena, und Ragnar nickte.
    »Diese Menschen, von denen du sprichst«, erwiderte Kian, »sie sind die Nachfahren eben jener Fürsten! So wie ich auch. Und jetzt frage ich dich, weshalb sollten wir nicht das Recht haben, hier unser Leben zu leben?«
    Ragnar schüttelte resigniert den Kopf. »Du und dein Volk«, begann er dann, »ihr lebt, wie ihr es immer getan habt.«
    »Aber was ist daran so schlimm?«, rief Kian zornig und erhob sich ruckartig.
    Auch Ragnar sprang auf, und Lena stellte sich rasch zwischen die beiden. »Hört auf damit und setzt euch!«
    »An ihrer Besonnenheit könntest du dir ein Beispiel …«
    »Nicht, Ragnar, lass es!«, rügte Lena ihn und setzte sich wieder hin, nicht ohne den beiden zu bedeuten, es ihr gleichzutun.
    Ragnar und Kian schauten einander an, doch schließlich legte Ragnar beide Hände aneinander und führte sie an seine Lippen. »Wer ewig so lebt, wie er es schon immer getan hat, der erstarrt.«
    Nun wirkte Kian doch ein wenig nachdenklich. »Die Fürsten sind weise, sie wissen, was gut ist«, sagte er, allerdings fehlte seiner Stimme nun der Nachdruck. »Dann denkst du, wir müssten uns alle in die Ewigkeit begeben und – sterben«, flüsterte er.
    »Nein, ich denke, das ist nicht nötig«, erklärte Ragnar mit versöhnlicher Stimme. »Nur die Fürsten und jene, die in diesen alten Tagen herübergekommen sind, müssten ihre Amulette abgeben und weiterziehen. Die anderen sollten sich der Führung der Tuavinn anvertrauen. Eines Tages wird dann die Einsicht folgen, dass es richtig ist zu gehen. Der Weg in die Ewigkeit ist nur ein weiterer Weg und kein Sterben, wie die Menschen es zumeist verstehen.«
    Kian schwieg.
    Lena nahm an, dass er grübelte. Auch sie machte sich Gedanken über Ragnars Worte und konnte ein Stück weit nachempfinden, was in dem jungen Mann vor sich ging.
    »Ich schlage vor, Kian geht zu seinen Leuten und redet mit ihnen.

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