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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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könnte, würde ich dich vor der Wahrheit warnen. »Dies ist ein altes Land«, sagte er sanft. »Wir können nicht erahnen, mit welchen Kräften die Steine, der Sand und die Erde ausgestattet wurden – Generation um Generation.« Er blickte auf, fühlte sich plötzlich müde. »Als wir am Rande der Raraku entlanggewandert sind, Icarium, habe ich mich immer gefühlt, als würden wir den schmalsten Strang in einem Netz entlanggehen, das sich zu allen Horizonten erstreckt. Die alte Welt schläft nur, und ich kann spüren, wie sie sich unruhig regt- und jetzt mehr als jemals zuvor.« Wecke diesen Ort nicht auf, mein Freund, und lass erst recht nicht zu, dass er dich aufweckt.
    »Nun«, sagte Icarium, nachdem er längere Zeit gedankenverloren geschwiegen hatte, »ich werde mich auf alle Fälle hinauswagen. Wirst du mich begleiten, Mappo Trell?«
    Den Blick auf den Fußboden mit seinen ungleichmäßigen Pflastersteinen gerichtet, nickte Mappo langsam.
     
    Nahtlos wuchs die Wand aus Sand in die ockerfarbene Kuppel des Himmels hinauf. Irgendwo in diesem wilden, wirbelnden Wahnsinn lag die Heilige Wüste Raraku. Fiedler, Crokus und Apsalar saßen am Anfang eines Pfades, der zunächst die Hänge der Hügel hinunter- und dann hinaus in das öde Wüstenland führte, auf ihren schweißgebadeten Pferden. Tausend Schritt entfernt in der Raraku verschwand ganz einfach die Welt.
    Ein schwaches, zischendes Tosen erreichte sie.
    »Ich nehme einmal an«, sagte Crokus leise, »dass das kein ganz normaler Sturm ist.«
    Fiedler schüttelte den Kopf.
    »Als ich das erste Mal etwas vom Wirbelwind gehört habe«, fuhr der Dieb aus Darujhistan nach einem Augenblick fort, »habe ich geglaubt, es wäre ... nun, ja ... eine symbolische Bezeichnung. So eine Art Zustand des Seins. Sag mir also, sehen wir jetzt den wahren Wirbelwind? Den Zorn einer Göttin?«
    »Wie kann mitten in ... in so etwas eine Rebellion entstehen?«, fragte Apsalar verwundert. »Es wäre schon eine Herausforderung, in diesem Sturm einfach nur die Augen zu öffnen; wie soll man da einen Aufstand organisieren, der einen ganzen Kontinent umfasst? Außer, es ist einfach nur eine Barriere, und dahinter herrscht Ruhe.«
    »Das scheint mir sehr gut möglich«, stimmte Crokus ihr zu.
    Fiedler grunzte. »Dann haben wir keine andere Wahl. Wir reiten hindurch.«
    Die Gral, die sie jagten, waren kaum mehr als zehn Minuten hinter ihnen, und ihre Pferde waren genauso erschöpft. Es waren mindestens zwanzig Mann, und selbst in Anbetracht von Apsalars gottgegebenen Fähigkeiten und des Sortiments Moranth-Munition in Fiedlers Rucksack war die Aussicht, sich den Kriegern zu stellen, alles andere als verlockend.
    Der Sappeur schaute den Jungen und das Mädchen an. Sonne und Wind hatten ihre Gesichter dunkel gebrannt und nur kleine weiße Fältchen in den Augenwinkeln übrig gelassen. Die rissigen, aufgesprungenen Lippen waren nur noch zwei schmale Striche, die von tiefer eingegrabenen Linien eingefasst wurden. Hungrig, durstig, vor Erschöpfung im Sattel schwankend – er selbst war in genau dem gleichen ziemlich schlechten Zustand, wie er sehr wohl wusste. Nein, eigentlich war sein Zustand sogar noch schlimmer, weil er nicht mehr über die Reserven der Jugend verfügte. Wohlgemerkt, die Raraku hat mich schon einmal gezeichnet. Vor langer Zeit. Ich weiß, was da draußen ist.
    Die anderen beiden schienen Fiedlers Zögern instinktiv zu verstehen, denn sie warteten in gewisser Weise sogar respektvoll, selbst als donnerndes Hufgetrappel von dem Pfad in ihrem Rücken zu ihnen drang.
    Schließlich ergriff Apsalar das Wort. »Ich möchte mehr ... über diese Wüste erfahren ... und über ihre Macht...«
    »Das wirst du auch«, knurrte Fiedler. »Verhüllt eure Gesichter. Wir ziehen los, um dem Wirbelwind unsere Aufwartung zu machen!«
    Der Sturm schloss sich um sie wie eine Schwinge, die in einer Umarmung über sie hinwegstrich. Der wirbelnde Sand schien eine Art merkwürdiges Bewusstsein zu besitzen; er tastete unablässig in den Falten ihrer Telaban herum, tausend reibende Finger, die sich einen Pfad über ihre Haut bahnten. Lose Enden von Gewändern und Seilen wiesen steil nach oben, peitschten in einem drängenden Rhythmus. Das Tosen erfüllte die Luft, erfüllte ihre Schädel.
    Die Raraku war erwacht. Alles, was Fiedler gespürt hatte, als er das letzte Mal durch dieses Ödland geritten war – das geisterhafte Versprechen von Albträumen dicht unter der Oberfläche, das er als

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