Das Reich der Sieben Städte
interessante Frage, mein Freund.«
Mappo runzelte die Stirn, zuckte dann die Achseln. Wenn seine Frage wirklich besonders klug gewesen war, dann war das reiner Zufall. Er war frustriert. Sie waren schon zu lange unter der Erde, zu lange untätig und den wunderlichen Einfällen eines Verrückten ausgeliefert. Es bedeutete eine echte Anstrengung für ihn, sich auf dieses Geheimnis zu konzentrieren, und tatsächlich ärgerte er sich über die Vermutung, dass es das überhaupt wert war. Nach einiger Zeit des Schweigens seufzte er. »Schatten ist über dieses Boot und seinen Besitzer gekommen, hat sie mitgenommen und hierher gebracht. War dies einmal Pustls Boot? Er kommt mir nicht so vor, als hätte er Menschen unter seinen Ahnen, in deren Adern das Blut von Fischern geflossen ist. Ich habe bisher noch keinen einzigen Hafenfluch über seine Lippen kommen gehört, keine salzigen Metaphern, keine spitzfindigen Fragen.«
»Dann ist es also nicht Iskaral Pustls Boot.«
»Nein. Was bedeutet, dass es jemand anderem gehören muss ...«
»Nun, entweder dem Maultier oder Diener.«
Mappo nickte. Er rieb sich das stoppelige Kinn. »Ich gebe zu, dass ein Maultier, das in einem Boot hockt, Netze auswirft und Fische fängt, interessant genug sein könnte, um die Aufmerksamkeit eines Gottes zu erregen – vielleicht ja sogar so interessant, dass er beide hierher gebracht hat, um sie für die Nachwelt zu erhalten.«
»Ah, aber was hätte das für einen Sinn, wenn es weder einen Teich, geschweige denn einen See gibt, um das Bild zu vervollständigen? Nein, ich glaube, das Maultier können wir ausschließen. Das Boot gehört Diener. Erinnere dich doch nur an seine überragenden Kletterfähigkeiten ...«
»Erinnere dich an diese schreckliche Suppe ...«
»Das war Wäsche, Mappo.«
»Aber genau das habe ich doch gemeint. Du hast Recht. Einst ist Diener mit diesem Boot übers Meer gefahren.«
»Dann sind wir also einer Meinung?«
»Ja. – Nun, das ist wohl kaum ein Aufstieg für den armen Mann.«
Icarium schüttelte sich. Er hob den Besen wie eine Standarte. »Noch mehr Fragen an Iskaral Pustl. Sollen wir den Rückweg antreten, Mappo?«
Drei Stunden später fanden die beiden müden Gefährten den Hohepriester des Schattens am Tisch in der Bibliothek. Iskaral Pustl hockte auf einem Stuhl und war über einen Stapel Drachenkarten gebeugt. »Ihr seid spät dran«, schnappte er, ohne aufzuschauen. »Die Drachenkarten wehklagen vor wilder Energie. Die Welt draußen ist in Bewegung – eure Vorliebe für Ignoranz ist in diesen hektischen Zeiten nicht angebracht. Achtet auf dieses Feld, Reisende, oder bleibt auf eigene Gefahr verloren.«
Mappo gab seinem Widerwillen mit einem Schnauben Ausdruck, während er zu dem Regal ging, auf dem die Weinkrüge warteten. Selbst Icarium ärgerte sich anscheinend über die Worte des Hohepriesters, denn er ließ den Besen klappernd auf den Boden fallen und setzte sich gegenüber Iskaral Pustl auf einen freien Stuhl. So gereizt, wie der Jhag wirkte, schien ein Nachmittag voller ruhiger Konversation nicht besonders wahrscheinlich. Mappo füllte zwei Becher mit Wein und kehrte dann an den Tisch zurück.
Der Hohepriester nahm den Kartenstapel in beide Hände, schloss die Augen und richtete ein stummes Gebet an Schattenthron. Dann legte er ein spiralförmiges Feld aus, wobei er mit der mittleren Karte begann.
»Obelisk!«, kreischte Iskaral und rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. »Ich hab's gewusst! Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft ... das Hier, das Jetzt, das Dann, das Wann ...«
»Beim Atem des Vermummten!«, keuchte Mappo.
Die zweite Karte fiel, ihre obere linke Ecke überlappte Obelisks untere rechte. »Das Seil – der schattenhafte Patron der Assassinen; ha!« Weitere Karten folgten dicht aufeinander; Iskaral Pustl verkündete jeweils laut, was sie zeigten, als wäre sein Publikum unwissend oder gar blind. »Oponn, der männliche Zwilling oben, das Glück, das stößt, Unglück, schreckliches Missgeschick, Kalkulationsfehler, widrige Umstände ... Szepter ... Thron ... die Königin des Hohen Hauses Leben... der Weber des Hohen Hauses Tod ... der Soldat des Hohen Hauses Licht... der Ritter des Hohen Hauses Leben ... der Steinmetz des Hohen Hauses Dunkel...« Ein Dutzend weitere Karten folgten, dann lehnte der Priester sich zurück; seine Augen waren zu Schlitzen zusammengekniffen, sein Mund stand offen. »Erneuerung ... eine Erlösung, ohne durch das Tor des Vermummten zu gehen.
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