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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Gottes so klingen wie die des Vermummten? Besteht die Welt tatsächlich aus unzähligen Dingen, die sich im Gleichgewicht befinden? Das unendliche Auf und Ab von Schicksal und Bestimmung. Eber des Sommers, der du den Krieg säst – was sagst du?«
    Der alte Mann starrte sie an. Er öffnete den Mund, doch kein Wort drang über seine Lippen.
    »Was war das?« Felisin legte eine Hand ans Ohr. »Das Surren von Flügeln? Bestimmt nicht!«
    »Närrin«, murmelte Baudin. »Wir sollten uns einen Lagerplatz suchen. Aber nicht hier.«
    »Schlechte Vorzeichen, Mörder? Ich hätte nie gedacht, dass dir so was etwas bedeutet.«
    »Spar dir deinen Atem, Mädchen«, sagte Baudin, während er den felsigen Abhang musterte.
    »Es macht keinen Unterschied«, erwiderte sie. »Nicht jetzt. Wir tanzen noch immer im Augenwinkel eines Gottes, aber es ist nur zur Schau. Wir sind tot, egal, wie viel wir auch herumzucken mögen. Wie sieht das Symbol des Vermummten im Reich der Sieben Städte aus? Na los, sag schon, Baudin, du warst doch in Aren; was für Gravuren gibt es in den Tempeln, die dem Lord des Todes geweiht sind?«
    »Ich vermute, du weißt es bereits«, sagte Baudin.
    »Kapmotten, die Vorboten, die sich von Aas ernähren. Für sie ist es der Nektar des Verfalls, die Rose, die in der Sonne erblüht. Der Vermummte hat uns auf dem Ring in Unta ein Versprechen gegeben, und es wird sich bald erfüllen.«
    Baudin kletterte zum Rand der Senke empor. Ihre Worte folgten ihm. Er drehte sich um und schaute zu ihr hinunter; die aufgehende Sonne hüllte ihn in einen orangefarbenen Schimmer. »So viel zu deinem Fluss aus Blut«, sagte er leise in belustigtem Tonfall.
    Ein Schwindelgefühl stieg in ihr auf. Ihre Beine gaben nach, und sie setzte sich abrupt hin, stieß sich den Hüftknochen an einer harten Felskante. Sie schaute sich um und sah Heboric eine Armspanne entfernt zusammengekauert am Boden liegen. Die Sohlen seiner Mokassins waren durchgelaufen und enthüllten wunde, glänzende Fußsohlen. War er schon tot? So gut wie. »Tu irgendwas, Baudin.«
    Er gab keine Antwort.
    »Wie weit ist es noch bis zur Küste?«, fragte sie.
    »Ich bezweifle, dass das noch irgendeine Rolle spielt«, sagte er nach einem kurzen Augenblick. »Das Boot sollte drei Nächte lang oder so ähnlich das Ufer abfahren, nicht länger. Wir sind noch mindestens vier Tage von der Küste entfernt, und wir werden von Minute zu Minute schwächer.«
    »Und wo ist die nächste Wasserstelle?«
    »Einen Marsch von sieben Stunden entfernt. Aber in unserer jetzigen Verfassung werden wir eher vierzehn Stunden brauchen.«
    »Letzte Nacht warst du aber ziemlich lebhaft!«, fuhr sie ihn an. »Bist losgerannt, um Heboric einzusammeln. Außerdem wirkst du längst nicht so ausgedörrt wie wir ...«
    »Ich trinke meine Pisse.«
    »Du tust was?«
    Er grunzte. »Du hast mich schon richtig verstanden.«
    »Das war keine besonders gute Antwort«, entschied sie nach kurzem Überlegen. »Und erzähl mir bloß nicht, dass du auch noch deine eigene Scheiße frisst. Es würde immer noch nicht alles erklären. Hast du einen Pakt mit irgendeinem Gott geschlossen, Baudin?«
    »Glaubst du etwa, es ist leicht, so etwas zu tun? He, Königin der Träume, rette mich, dann diene ich dir. Sag mir doch, wie viele von deinen Gebeten erhört worden sind. Außerdem vertraue ich auf nichts und niemanden, außer auf mich selbst.«
    »Dann hast du also noch nicht aufgegeben?«
    Sie dachte, er würde nicht antworten, doch nach einer langen Minute, in der sie sich immer weiter in sich selbst zurückgezogen hatte, riss er sie mit einem barschen Nein! aus ihren Tagträumen.
    Er verlagerte das Gewicht seines Rucksacks und kam dann den Hang heruntergeschlittert. Etwas in seinen beherrschten, sparsamen Bewegungen jagte ihr plötzlich Angst ein. Er bezeichnet mich als mollig, schaut mich an wie ein Stück Fleisch – nicht so, wie Beneth mich angeschaut hat, eher wie jemand, der seine nächste Mahlzeit betrachtet. Mit klopfendem Herzen hielt sie nach den ersten Anzeichen Ausschau, nach dem Aufblitzen von Hunger in seinen kleinen brutalen Augen.
    Doch er kauerte sich nur neben Heboric auf den Boden und drehte den Bewusstlosen auf den Rücken. Er beugte sich über ihn, um festzustellen, ob der ehemalige Priester noch atmete, und lehnte sich dann seufzend zurück.
    »Ist er tot?«, fragte Felisin. »Du musst ihm die Haut abziehen. Egal, wie hungrig ich auch bin – ich werde auf gar keinen Fall tätowiertes Fleisch

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