Das Reich der Sieben Städte
Dies sagen die Karten ganz deutlich. Ein Leben gegeben für eines, das genommen, und darüber hinaus gibt es noch mehr.«
»Ihr seid aus Dal Hon«, sagte Fiedler. »Wo bin ich?«
Das Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Im Schatten. Hahaha.«
Hinter dem merkwürdigen alten Mann erklang eine andere Stimme. »Kaum ist er wach, schon quält Ihr ihn, Hohepriester. Geht zur Seite, der Soldat braucht Luft, kein Getue.«
»Es ist eine Frage der Gerechtigkeit«, erwiderte der Hohepriester, doch er zog sich bei diesen Worten zurück. »Das ist doch der Altar, vor dem Euer launischer Gefährte kniet, oder nicht? Es ist lebenswichtig, diese Einzelheiten zu verstehen.« Er trat einen weiteren Schritt zurück, und die massige Gestalt des anderen Sprechers erschien in Fiedlers Blickfeld.
»Ah«, seufzte Fiedler. »Der Trell. Meine Erinnerung kehrt zurück. Und wo ist Euer Gefährte ... der Jhag?«
»Er unterhält deine Gefährten«, sagte der Trell. »Kläglich, wie ich zugeben muss. So alt er auch schon ist, hat Icarium doch niemals die feine Lebensart gelernt, die notwendig ist, damit andere sich entspannen können.«
»Icarium. Der Jhag, der Maschinen erfindet und erbaut. Der der Zeit nachjagt.«
Der Trell verzog das Gesicht zu einem breiten gequälten Lächeln, das seine Eckzähne sehen ließ. »Ja, der Lord der Sandkörner – obwohl die meisten mit dieser poetischen Anspielung nichts anfangen können, die außerdem noch peinlich ist.«
»Mappo.«
»Noch einmal ja. Und deine Freunde nennen dich Fiedler, und sie haben dir auch die Verkleidung eines Gral-Kriegers abgenommen.«
»Dann macht es wohl nichts, dass ich ziemlich von der Rolle war, als ich aufgewacht bin.«
»Nein, dieser Fehler zieht keine Bestrafung nach sich, Soldat. Hunger? Durst?«
»Ja und noch mal ja. Aber als Erstes – wo sind wir?«
»In einem Tempel, der in eine Klippe gehauen worden ist. Raus aus dem Wirbelwind. Gäste eines Hohepriesters des Schattens – den du bereits getroffen hast. Iskaral Pustl.«
»Pustl?«
»Genau!«
Der dal-honesische Hohepriester schob sich wieder ins Blickfeld. Er machte ein finsteres Gesicht. »Du machst dich über meinen Namen lustig, Soldat?«
»Ich doch nicht, Hohepriester.«
Der alte Mann stieß ein Brummen aus, packte seinen Besen fester und machte sich davon.
Fiedler setzte sich behutsam auf, bewegte sich dabei wie ein alter Mann. Er war drauf und dran, Mappo danach zu fragen, wie er die Schwere seiner Verletzungen, ganz besonders des Knöchels, einschätzte, entschloss sich dann jedoch, lieber noch ein bisschen länger auf die – höchstwahrscheinlich – schlechten Neuigkeiten zu warten. »Was hat dieser Mann für eine Geschichte?«
»Ich bezweifle, dass er das selbst weiß.«
»Ich bin aufgewacht, als er meinen Kopf gefegt hat.«
»Das ist keine besondere Überraschung.«
Der Trell hatte etwas Ungezwungenes an sich, sodass Fiedler sich unwillkürlich entspannte. Bis er sich an den Namen des Kriegers erinnerte. Mappo, ein Name, der immer im Zusammenhang mit einem anderen fällt. Und genügend Gerüchte, um ein ganzes Buch zu füllen. Wenn auch nur ein paar davon wahr sind... »Icarium hat den Vielwandler verjagt.«
»Er besitzt einen ganz besonderen Ruf.«
»Ist der denn berechtigt, Mappo?« Noch während er die Frage stellte, wusste Fiedler, dass er besser den Mund gehalten hätte.
Der Trell zuckte zusammen, zog sich ein wenig zurück. »Ich werde dir etwas zu essen und zu trinken besorgen.«
Mit diesen Worten verließ Mappo das kleine Zimmer. Er bewegte sich trotz seiner massigen Statur sehr leise, und das erinnerte Fiedler an Kalam. Hast du dem Sturm entwischen können, alter Freund?
Iskaral Pustl kehrte vorsichtig ins Zimmer zurück. »Warum bist du hier?«, flüsterte er. »Weißt du, warum? Du weißt es nicht, aber ich werde es dir sagen. Dir und niemand anderem.« Er beugte sich ganz nah an Fiedler heran, zerrte mit beiden Händen an seinen kreuz und quer abstehenden Haarbüscheln. »Tremorlor!«
Er lachte, als er Fiedlers Gesichtsausdruck sah, und begann mit großen, grotesken Sätzen herumzuhüpfen. Dann setzte er sich erneut vor Fiedler hin; ihre Gesichter waren nur wenige Zoll voneinander entfernt. »Das Gerücht von einem Pfad, einem Weg nach Hause. Ein kleines, sich windendes Würmchen von einem Gerücht, oder noch weniger, eine Larve, kleiner als ein abgeschnittener Fingernagel, das gedrängte, verknotete Durcheinander, das um etwas herumgewickelt ist, das die
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